Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Kein Verfügungsgrund bei verzögerndem Handeln oder Verhalten des Verfügungsklägers (Grundsatz der Selbstwiderlegung)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Gericht hat im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen gem. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden.

2. Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung bedarf es immer eines Verfügungsgrundes, d.h. es muss dringender Eilbedarf für eine gerichtliche Verfügung zur vorläufigen Regelung eines Rechts- oder Sachzustands bestehen. Handelt der Verfügungskläger erkennbar zögerlich, z.B. durch Fristverlängerungen und deren Ausschöpfung, durch Vergleichsverhandlungen oder durch das Begehren einer Zweitverfügung nach Ablauf der Vollziehungsfrist, widerlegt er selbst die von ihm behauptete Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit (Grundsatz der Selbstwiderlegung). In diesem Fall mangelt es ihm am Verfügungsgrund i.S.v. § 940 ZPO.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940, 91a, 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 23.03.2021; Aktenzeichen 4 Ga 5/21)

 

Tenor

  1. Die Hauptsache im Berufungsverfahren 3 SaGa 5/21 ist erledigt.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
 

Gründe

Nachdem die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91a ZPO nunmehr nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dabei entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Verfügungskläger aufzuerlegen.

Die Berufung des Verfügungsklägers war zwar gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig.

Nachdem die Parteien übereinstimmend die Hauptsache einschließlich des Berufungsverfahrens für erledigt erklärt haben, ist aufgrund dieser übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht mehr vom Gericht zu prüfen, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Vielmehr ist gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es insoweit vorliegend, die Kosten des Rechtsstreits dem Verfügungskläger aufzuerlegen, denn seine Berufung wäre aller Voraussicht nach zurückgewiesen worden und sein Verfügungsbegehren folglich in beiden Rechtszügen erfolglos gewesen.

Denn für das Verfügungsbegehren des Verfügungsklägers fehlt es am Verfügungsgrund. Selbst wenn, was vorliegend keiner Entscheidung bedarf, ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund ursprünglich gegeben gewesen wäre, kann sich der Verfügungskläger vorliegend jedenfalls auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nach dem Grundsatz der sogenannten Selbstwiderlegung nicht mehr berufen.

Denn der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor. Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 940 ZPO ist der Erlass einer Einstweiligen Verfügung zur Regelung eines Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen, ähnlich gewichtigen Gründen notwendig erscheint. Diese Regelung erfasst ausnahmsweise auch den Erlass von Leistungsverfügungen, bei denen über den Sicherungszweck des einstweiligen Rechtsschutzes hinaus nicht nur eine vorläufige Regelung zu einem Rechtsverhältnis getroffen wird, sondern der Schuldner zu einer endgültigen Erfüllung des Anspruchs des Gläubigers verurteilt wird. Aus diesem Grund ist allerdings der Erlass einer Leistungsverfügung, wie vorliegend für jeden Tag der Geltendmachung begehrt, nur ausnahmsweise möglich. An den für eine Leistungsverfügung in Betracht kommenden Verfügungsgrund, d. h. die Abwendung wesentlicher Nachteile i. S: d. § 940 ZPO, sind folglich besonders strenge Anforderungen zu stellen (LAG Rheinland-Pfalz 17.09.2007 - 5 SaGa 17/07). Der Gläubiger muss auf die Erfüllung der begehrten Leistung dringend angewiesen, bzw. diese zur Vermeidung eines irreparablen Rechtsnachteils dringend notwendig sein (LAG Rheinland-Pfalz 05.04.2007 - 9 Sa Ga (/07).

In diesem Zusammenhang kann ein Antragsteller, der schuldhaft zögerlich handelt, es insbesondere unterlässt, umgehend im Hauptsacheverfahren einen Titel anzustreben, mangels Verfügungsgrundes keine Eilentscheidung erstreiten (s. LAG Köln 06.08.1996, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 40); es gilt insoweit der Grundsatz der Selbstwiderlegung. So können z. B. Vergleichsverhandlungen zu einem Wegfall der Dringlichkeit führen, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gegner ernsthaft zu einer vergleichsweisen Regelung bereit ist (LAG Düsseldorf 19.09.2012 - 12 SaGa 17/12); ebenso Verhandlungen des Betriebsrats, die auf eine reine Zeitverzögerung bei Interessenausgleichsverhandlungen gerichtet sind (LAG Rheinland...

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