Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhilfe. Abhilfeverfahren. Aufhebung. Beschwerde, verfristet. Gegenvorstellung. Prozesskostenhilfe. Prüfungskompetenz. Wiedereinsetzung, voriger Stand. Wiedereinsetzungsantrag. Aufhebung von Prozesskostenhilfe. Prüfungskompetenz im Abhilfeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Wortlaut des § 572 Abs. 1 ZPO hat das Gericht im Abhilfeverfahren lediglich die Kompetenz, die Begründetheit der Beschwerde zu überprüfen. Ist die Beschwerde verfristet, aber ein Wiedereinsetzungsantrag wegen der Fristversäumung gem. § 233 ZPO gestellt, dann hat der Rechtspfleger zuerst eine Entscheidung nach § 572 Abs. 1 ZPO zu treffen, bevor er dem hierfür gem. § 237 ZPO zuständigen Beschwerdegericht das Verfahren zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag vorlegt.
2. In jeder sofortigen Beschwerde ist als Minus eine Gegenvorstellung zu sehen. Dieser hat der Rechtspfleger bei Begründetheit stattzugeben und abzuhelfen, auch wenn die Gegenvorstellung im Rahmen einer unzulässigen Beschwerde erfolgte.
Normenkette
ZPO § 572 Abs. 1, §§ 127, 567; ArbGG § 78
Verfahrensgang
ArbG Trier (Beschluss vom 13.11.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1467/07) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführererin wird die Vorlageverfügung des Arbeitsgerichts Trier vom 19.03.2010 – Az 4 Ca 1467/07 – aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Trier zur erneuten Entscheidung über eine Abhilfe der Beschwerde zurückverwiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr mit Beschluss vom 06.11.2007 des Arbeitsgerichts Trier bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
Im Jahr 2009 forderte das Arbeitsgericht die Klägerin mehrfach über Anschreiben an ihren Prozessbevollmächtigten auf, ihre Einkommens – und Vermögensverhältnisse darzulegen und geeignete Nachweise über Einnahmen und Ausgaben beizufügen. Der Prozessbevollmächtigte teilte dem Gericht in der Folge mit, er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Mandantin. Nachdem das Arbeitsgericht den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen hatte, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz die Prozessvollmacht im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren fortbestehe und sich der Prozessbevollmächtigte nicht darauf berufen könne, er habe keinen Kontakt zu seinem Mandanten und das Arbeitsgericht dieser Rechtsprechung folge und die Klägerin auch weiterhin die geforderte Erklärung nicht abgab, hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 13.11.2009 den Bewilligungsbeschluss aufgehoben.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.11.2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einem am 19.01.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trug sie vor, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich nicht nennenswert verändert. Zudem beantragte die Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.
Der Rechtspfleger hat durch Vermerk vom 19.03.2010 den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin für unbegründet erachtet und die Akte zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag dem Beschwerdegericht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft, aber verfristet, da die Beschwerdeführerin die gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO geltende Notfrist von einem Monat ab Zustellung der Entscheidung an ihren Prozessbevollmächtigten nicht eingehalten hat.
Allerdings durfte der Rechtspfleger seine Nichtabhilfeentscheidung nicht auf die im Rahmen der Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfende Verfristung der sofortigen Beschwerde und damit auch nicht auf die diese heilende ausstehende Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stützen. Nach dem Wortlaut des § 572 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO hat das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen, soweit es sie für begründet hält (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.07.2009 – 1 Ta 139/09; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. § 572, Rn. 14; Baumbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 572, Rn. 4). Denn ein als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel ist jedenfalls als eine Art form – und fristfreie Gegenvorstellung anzusehen, so dass auch bei Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 569 ZPO eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts besteht, seine Entscheidung in dem Maße abzuändern, in dem es die Beschwerde bzw. die Gegenvorstellung für inhaltlich gerechtfertigt hält. Diese Abhilfemöglichkeit verkürzt das Verfahren, dient der Selbstkontrolle des Arbeitsgerichts und erspart dem Betroffenen den Gang zum Beschwerdegericht. Mit einer Abhilfeentscheidung erledigt sich die sofortige Beschwerde im Umfange der Abhilfe und fällt insoweit nicht beim Beschwerdeger...