Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung betriebsratsfähiger Organisationseinheiten i.S. von § 18 Abs. 2 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Betriebsratsfähige Organisationseinheiten i.S. von § 18 Abs. 2 BetrVG liegen vor, wenn es sich bei den Einrichtungen um Betriebe i.S. von § 1 Abs. 1 BetrVG, um selbständige Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG oder um betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten i.S. von § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG handelt.
2. Zwei Standorte eines Verbundkrankenhauses stellen zwei betriebsratsfähige Organisationseinheiten dar, wenn an beiden Standorten jeweils weit mehr als fünf wahlberechtigte und drei wählbare Arbeitnehmer beschäftigt sind und wegen der räumlichen Trennung eines Betriebsteils von dem Hauptbetrieb die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil zu erschwert wäre, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb kommen können (hier: bejaht).
Normenkette
BetrVG §§ 1, 18 Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 05.04.2018; Aktenzeichen 9 BV 2/18) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5. April 2018, Az. 9 BV 2/18, abgeändert und festgestellt, dass die zwei Standorte des Verbundkrankenhauses A-Stadt in A-Stadt und in B-Stadt zwei betriebsratsfähige Organisationseinheiten sind.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die zwei Standorte eines Krankenhauses zwei betriebsratsfähige Organisationseinheiten sind.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) ist Trägerin mehrerer Krankenhäuser, ua. des gem. § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenen Verbundkrankenhauses A-Stadt mit den Standorten A-Stadt und B-Stadt. Das Verbundkrankenhaus ist nach dem Landeskrankenhausplan Rheinland-Pfalz ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag, das über zwei Standorte verfügt. Es hat die medizinische Grundversorgung im Einzugsgebiet seiner Betriebsstätten sicherzustellen und wird als ein Krankenhaus gezählt. Die zwei Standorte liegen 16,4 Straßenkilometer auseinander. Für die Fahrt von einem Standort zum anderen benötigt man mit dem Pkw etwa 20 Minuten. Vom Bahnhof A-Stadt zum Bahnhof B-Stadt verkehren an Wochentagen 19 Züge täglich (von 5:52 bis 21:45 Uhr). Die durchschnittliche Fahrzeit beträgt 20 Minuten. Der Fußweg vom Standort A-Stadt zum Bahnhof beträgt 650 Meter (8 Minuten), vom Standort B-Stadt zum Bahnhof 1,2 Kilometer (16 Minuten).
Erstinstanzlicher Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der am Standort A-Stadt im April 2018 gewählte Betriebsrat. Beteiligter zu 3) und zweitinstanzlich zusätzlicher Antragsteller ist der am Standort A-Stadt im Mai 2018 gewählte Betriebsrat. Nach dem Vortrag der Arbeitgeberin werden in A-Stadt 367, in B-Stadt 357 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Das Verbundkrankenhaus hat insgesamt 297 vollstationäre Betten.
In der Geschäftsordnung der Arbeitgeberin für die Betriebsführung der Einrichtungen vom 17.05.2013 (vgl. Bl. 51-55 d. A.) ist geregelt, dass das Verbundkrankenhaus von einem kaufmännischen Direktor geleitet wird, der Dienstvorgesetzter der Arbeitnehmer beider Standorte ist. Dem Krankenhausdirektorium gehört außerdem eine Pflegedirektorin an, die für beide Standorte zuständig ist. Es gibt zwei ärztliche Direktoren, einen für jeden Standort. Die Pflegedirektorin hat an jedem Standort eine Stellvertreterin. Die Personalleiterin ist für beide Standorte zuständig.
Am Standort A-Stadt sind folgende Fachabteilungen eingerichtet:
- allgemeine Viszeralchirurgie und Endprothetik
- Unfall-/Handchirurgie, Orthopädie
- Innere Medizin
- interdisziplinäre Intensivmedizin sowie
- das Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
- die physikalische Therapie
Am Standort B-Stadt:
- allgemeine Innere Medizin / Kardiologie
- alterstraumatologische Geriatrie / Geriatrie
- interdisziplinäre Intensivmedizin
- Chirurgie
- Unfallchirurgie / Orthopädie
- Wirbelsäulenchirurgie
- Gynäkologie / Geburtshilfe
- als Institutsambulanz: Kinder- und Jugendpsychiatrie
- die Ergotherapie und Physiotherapie
- die Küche für beide Standorte und
- das Zentrallabor
An beiden Standorten sind Einrichtungen zur Endoskopie und Röntgenabteilungen, jeweils unter gemeinsamer Leitung einer Führungskraft, eingerichtet. Arbeitnehmer folgender Abteilungen sind an beiden Standorten tätig:
- technische Abteilung
- Patientenmanagement
- Patientenverwaltung
- Medizincontrolling / Risikokoordination Ärzte
- Qualitätsmanagementbeauftragte
- Personalabteilung
- Hygienefachkräfte
- Risikokoordination Pflege
- EDV
- Fort- und Weiterbildungsbeauftragte
- Röntgenabteilung
Neue Arbeitnehmer werden für das Verbundkrankenhaus und nicht für einen der beiden Standorte einge...