Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Eilantrag auf Abbruch der Betriebsratswahl wegen Verkennung des Betriebsbegriffs durch den Wahlvorstand bei Änderung der Organisationsstruktur nach rechtkräftiger Arbeitsgerichtsentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gerichtliche Abbruch einer Betriebsratswahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre; die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht.
2. Eine Betriebsratswahl ist nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht; wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden.
3. Ein Mangel der Betriebsratswahl ist offenkundig und ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen, wenn sie "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn" trägt; das ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt würde, grundsätzlich nicht der Fall, da die Verkennung des Betriebsbegriffs in der Regel nicht die Nichtigkeit sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge hat.
4. Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation sind eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten, die eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung erfordern; Fehler bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs sind in der Regel nicht so grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht.
5. Ein Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem rechtskräftig entschieden wurde, dass zwischen Arbeitgeberinnen kein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt, entfaltet im Zeitpunkt der vom Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahl keine Bindungswirkung, wenn sich die für die rechtliche Würdigung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit geändert haben; hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass zum Entscheidungszeitpunkt nicht von einem Gemeinschaftsbetrieb ausgegangen werden kann, weil nach der Neustrukturierung der Verantwortlichkeiten im Bereich der Personalabteilung institutionell die Ausübung des Direktionsrechts nicht mehr einheitlich für beide Unternehmen vorgesehen ist, und wurde demgegenüber die Leitungsstruktur im Fahrdienst dahingehend geändert, dass die Fahrdienste der beiden Unternehmen nunmehr unter eine einheitliche Leitung gestellt worden sind, darf der Wahlvorstand unter Berücksichtigung der bekannt gegebenen organisatorischen Änderung darüber befinden, ob nunmehr der unter einer einheitlichen Leitung gestellte Fahrdienst als Gemeinschaftsbetrieb der beteiligten Unternehmen anzusehen ist.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 19; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 15.04.2015; Aktenzeichen 8 BVGa 2/15) |
Tenor
Die Beschwerde der zu 1) - 5) beteiligten Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15. April 2015 - 8 BVGa 2/15 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Abbruch einer Betriebsratswahl.
Der zu 1) beteiligte Antragsteller ist der bei der zu 6) beteiligten K. gebildete 11-köpfige Betriebsrat, der in der Wahl vom 04./05. März 2014 gewählt wurde. Diese Wahl wurde angefochten und erstinstanzlich für unwirksam erklärt; derzeit ist das Wahlanfechtungsverfahren beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz anhängig (Az.: 2 TaBV 28/14). Die zu 2) bis 5) beteiligten Antragsteller sind Fahrer der K. und Mitglieder bzw. Ersatzmitglied des zu 1) beteiligten Betriebsrates.
Bei der zu 8) beteiligten C. A. GmbH wurde im Jahr 2014 ein Betriebsrat gewählt, der nach dem von ihm beschlossenen Rücktritt noch geschäftsführend im Amt ist. Dieser bestellte den zu 7) beteiligten Wahlvorstand, der mit Wahlausschreiben vom 09. März 2015 "die Wahl des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebs Fahrdienst der C.A. GmbH und der K." in der Zeit vom 22. bis 24. April 2015 einleitete.
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehren die Antragsteller den Abbruch dieser Betriebsratswahl.
Sie haben erstinstanzlich vorgetragen, die von dem zu 7) beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Wahl wäre im Falle ihrer Durchführung aus mehreren Gründen nichtig. Entgegen der Darstellung der Arbeitgeberinnen bilde das Fahrpersonal ihrer beiden Unternehmen keinen gemeinsamen Betrieb. Auch wenn die Herren L. und H. als "Fahrdienstleiter" bezeichnet würden, seien ihnen die damit zu verbindenden Kompetenzen, nämlich die eigenverantwortliche Führung des Fahrdienstes, nicht eingeräumt worden. Eine einheitliche Leitung des Fahrdienstes liege nicht vor. Vielmehr obliege die Leitung des Fahrdienstes ausweislich der vorgelegten Organigramme bei der K. der Abteilung V. und bei der C.A. der Abteil...