Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Betriebsrat. Dotierungsziel. Ggenstandswert. Hilfswert. Mitbestimmungsrecht. Sozialplan. Streitwert. Wertfesetsetzung. Anfechtung eines Sozialplanes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert eines Verfahrens, in dem der Betriebsrat einen Sozialplan angreift, ist wegen der Regelung des § 2 Abs. 2 GKG gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 RVG nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen.
2. Erfolgt durch den Betriebsrat die Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle wegen Unterdotierung des Soziaplans, liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor. Verfolgt der Betriebsrat in erster Linie die Durchsetzung seiner Mitbestimmungsrechte, liegt hingegen eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor.
3. Steht der Gegenstandswert nicht fest und liegen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Festsetzung des Wertes vor, ist auch der Wert einer vermögensrechtliche Streitigkeit ausgehend von dem in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 1 RVG genannten Hilfswert von 4.000,– Euro festzusetzen. Bei der Anfechtung eines Sozialplanes wegen Unterdotierung durch den Betriebsrat fehlt es im Gegensatz zu einer Anfechtung durch den Arbeitgeber an einer feststehenden äußeren Grenze des Gegenstandswertes. Nennt der Betriebsrat darüber hinaus kein Dotierungsziel, liegen keine Anhaltspunkte für eine Bemessung des Wertes vor. Der Wert ist dann ausgehend vom Hilfswert in Höhe von 4.000,– Euro festzusetzen und kann wegen der Bedeutung der Angelegenheit für alle Beteiligten und für die Arbeitnehmer des Betriebs um ein Vielfaches erhöht werden.
Normenkette
BAT § 3 Buchs. q; RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 02.06.2010; Aktenzeichen 8 BV 38/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 02.06.2010 – 8 BV 38/09 – wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird auf 24.000,– Euro festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
Tatbestand
I. Die beschwerdeführende Arbeitgeberin, Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2) im Beschlussverfahren 8 BV 38/09 begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes dieses Verfahrens.
Die Arbeitgeberin unterhält ein Unternehmen für Instandhaltungsdienstleistungen und beschäftigte zum 01.06.2008 insgesamt 68 Mitarbeiter. Betriebsbedingt wollte sie zum 31.12.2008 18 Stellen abbauen und zu diesem Zweck 14 Beendigungskündigungen aussprechen. Nachdem die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich gescheitert waren, wurde eine Einigungsstelle tätig. Diese beauftragte eine Sachverständige mit der Überprüfung des der Arbeitgeberin wirtschaftlich zumutbaren Volumens eines Sozialplanes. Zuvor war zu Beginn der Sozialplanverhandlungen von Seiten der Arbeitgeberin ein Betrag von 250.000,– Euro als Obergrenze für das Volumen eines abzuschließenden Sozialplanes genannt worden. Die Prüfung der Sachverständigen ergab, dass für die Arbeitgeberin maximal ein Sozialplanvolumen in Höhe von 60.000 Euro verkraftbar sei. Daraufhin beschloss die Einigungsstelle – gegen die Stimmen der Beisitzer des Betriebsrats – einen Sozialplan mit einer Dotierung von 70.000 Euro. Diese Entscheidung hat der antragstellende Betriebsrat vorliegend angefochten mit dem Antrag, festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle die Einigung über den Sozialplan wegen Betriebsänderung nicht wirksam ersetzt hatte. Der Betriebsrat hat sich im wesentlichen auf unzureichende Informationserteilung und mangelhafte gutachterliche Feststellungen berufen, die die Einigungsstelle ihrer Entscheidung nicht hätte zugrunde legen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen, weil die Einigungsstelle ihr Ermessen nicht verletzt habe.
Nach Anhörung hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit Beschluss vom 02.06.2010 auf 180.000,– Euro festgesetzt. Dies ist die Differenz zwischen dem tatsächlich beschlossenen Sozialplanvolumen von 70.000,– Euro und der ursprünglich von der Arbeitgeberin genannten Obergrenze von 250.000,– Euro. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts habe es sich bei dem vorliegenden Fall um eine vermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt, deren Wert gem. § 23 Abs. 3 S. 2 1. Halbsatz RVG einem feststehenden Wert entsprechend oder nach billigem Ermessen zu bestimmen sei. Der Betriebsrat habe den Sozialplan wegen Unterdotierung und damit aus wirtschaftlichen Interessen angefochten, der Rechtsstreit habe sich hingegen nicht um die Reichweite betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte des Betriebsrates und damit nicht um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten gedreht. Das Arbeitsgericht hat den Wert daher in Ausübung seines Ermessens auf 180.000,– Euro geschätzt.
G...