Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung. Nachträgliche Aufhebung eines rechtskräftigen Ordnungsgeldbeschlusses (§ 890 ZPO) bei rückwirkender Verfahrensbeendigung des Erkenntnisverfahrens. nachträglicher Aufhebung von Ordnungsgeldbeschlüssen
Leitsatz (amtlich)
1) Enthält eine gerichtliche Entscheidung i S v § 9 Abs. 5 S 1 ArbGG eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, dann reicht es nicht aus, wenn das Gericht diesen Fehler korrigiert, indem es allein einen Berichtigungsbeschluss nach § 319 ZPO der Partei zustellt. Damit das für die Entscheidung vorgesehene befristete Rechtsmittel zu laufen beginnt, ist es (zusätzlich noch) erforderlich, dass auch die gerichtliche Entscheidung selbst mit einer richtigen Rechtsmittelbelehrung versehen der beschwerten Partei nochmals zugestellt wird.
2) Rechtskräftige Ordnungsgeldbeschlüsse (§ 890 ZPO), die bereits durch Zahlung des Ordnungsgeldes ihre Funktion erfüllt haben, sind trotz ihrer formellen Rechtskraft gem. §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO nachträglich aufzuheben, wenn die Prozessparteien das zugrundeliegende Erkenntnisverfahren mit Rückwirkung beseitigt haben. Das ist z.B. der Fall, wenn der Antragsteller eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens später seinen antrag i S v § 81 Abs. 1 ArbGG vorbehaltlos zurücknimmt und das Gericht das Verfahren [sodann einstellt (§ 81 Abs. 2 S. 2 ArbGG) und damit auch eine in dem Verfahren ergangene noch nicht rechtskräftige einstweilige Verfügung wirkungslos wird.
Normenkette
ZPO §§ 776, 775 Nr. 1; ArbGG § 9 Abs. 5, § 81 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 16.12.1998; Aktenzeichen 8 GaBV 1430/98) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin werden unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16. Dez. 1998 – 8 GaBV 1430/98 – die Ordnungsgeldbeschlüsse des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 28. Juli 1998, vom 5. Okt. 1998 und vom 26. Nov. 1998 aufgehoben.
Tatbestand
I.
Durch eine einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17. Juli 1998 im Verfahren 8 GaBV 1430/98 wurde der Schuldnerin aufgegeben, dem Gläubiger den Zugang zu ihrem Betrieb in B. -R. zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten zu gestatten. Dieser Beschluss war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach die Antragsgegnerin gegen ihn innerhalb einer Frist von zwei Wochen Beschwerde einlegen kann. Eine solche Beschwerde hat die Antragsgegnerin in der Folgezeit nicht eingelegt.
Nachdem sie in zahlreichen Fällen entgegen der Anordnung der einstweiligen Verfügung dem Antragsteller das Zutrittsrecht zum Betrieb zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten verweigert hatte, hat das Arbeitsgericht auf Antrag des Antragstellers durch Beschlüsse vom 28. Juli 1998 und vom 5. Okt. 1998 Ordnungsgelder gegen die Antragsgegnerin gem. § 890 ZPO festgesetzt. In beiden Fällen hat die Antragsgegnerin gegen diese Beschlüsse sofortige Beschwerde eingelegt, die jeweils durch die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts als unbegründet zurückgewiesen worden sind.
Da die Antragsgegnerin nach wie vor gegen den Inhalt der einstweiligen Verfügung verstoßen hat, hat das Arbeitsgericht mit weiterem Beschluss vom 26. Nov. 1998 erneut ein Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin festgesetzt.
Vorausgegangen war ein Antrag der Antragsgegnerin vom 17. Juni 1998, die einstweilige Verfügung vom 17. Juni. 1998 wegen veränderter Umstände aufzuheben. Gegen dieses Begehren der Antragsgegnerin hat sich der Antragsteller gewandt und insoweit Antragsabweisung beantragt.
Mittlerweile hatte die Antragsgegnerin das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass trotz Ablauf der Monatsfrist nach Zustellung des Beschlusses vom 17. Juni 1998 dieser noch nicht rechtskräftig geworden sei wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung. Das Arbeitsgericht hat deshalb mit Beschluss vom 28. Sept. 1998 die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 17. Juni 1998, in dem es die einstweilige Verfügung erlassen hatte, dahingehend berichtigt, dass die der Antragsgegnerin offenstehende Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat ab der erneuten Zustellung des Berichtigungsbeschlusses eingelegt werden muss. Dieser Berichtigungsbeschluss, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen war, hat die Antragsgegnerin nicht angegriffen. Trotz zweifacher Bitte des Arbeitsgerichts, die Ausfertigung des Beschlusses vom 17. Juni 1998 zwecks Anbringung des Berichtigungsvermerkes zurückzuschicken, ist die Antragsgegnerin diesem Verlangen nicht nachgekommen. Eine erneute Zustellung des vollständigen Beschlusses mit einer richtigen Rechtsmittelbelehrung hat das Arbeitsgericht nicht vorgenommen.
Im Kammertermin eines weiteren zwischen den Parteien vor der Arbeitsgericht Ludwigshafen anhängigen Verfahrens haben die Parteien am 2. Dez. 1998 einen umfassenden Vergleich abgeschlossen, wonach sie das Arbeitsverhältnis des Antragstellers des vorliegenden Verfahrens gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 250.000,– DM einvernehmlich mit Ablauf des 31....