Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug des Arbeitgebers durch Leistungsangebot des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt nur, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen. Dabei ist die Arbeitsleistung so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO (vgl. BAG 28.06.2017 - 5 AZR 263/16 - Rn. 21 mwN).
Normenkette
BGB § 615 S. 1, §§ 293, 297, 611 Abs. 1, §§ 294-295
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 22.05.2017; Aktenzeichen 1 Ca 843/16) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22. Mai 2017, Az. 1 Ca 843/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über Vergütung wegen Annahmeverzugs. Der Kläger begehrt für die Zeit vom 01.08.2015 bis zum 31.05.2016 monatlich € 2.624,00 brutto, abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von monatlich € 1.251,00 netto.
Der im April 1955 geborene Kläger ist seit dem 01.06.2007 bei der Beklagten als Staplerfahrer zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt € 2.624,00 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt. Beim Kläger wurde zunächst ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt, der sich nach einem Schlaganfall, den er am 20.03.2016 erlitten hat, auf 60 erhöhte. Seit Januar 2011 war der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Er leidet an einer chronischen Diabeteserkrankung (insulinpflichtige Diabetes mellitus Typ-2). Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich zum 31.08.2018 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat der Kläger, der ab 01.02.2019 eine abschlagfreie Altersrente beanspruchen kann, keine Klage erhoben.
Die Beklagte betreibt an ihrem Standort C-Stadt ein Food - Warenumschlagslager. Sie beschäftigt dort etwa 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Seit seinem Schlaganfall am 20.03.2016 ist der Kläger unstreitig nicht mehr in der Lage, Flurförderzeuge zu steuern.
Die Lage der täglichen Arbeitszeit des Klägers ist von montags bis freitags auf 5:00 bis 13:00 Uhr festgelegt. Der Kläger war seit 14.10.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bezog er bis zum 13.04.2015 Krankengeld, ab dem 14.04.2015 Arbeitslosengeld. Am 20.03.2015 fand ein Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) statt, an dem neben dem Kläger ein Mitglied des Betriebsrats, die Schwerbehindertenvertreterin und eine Vertreterin des Integrationsamtes sowie der Lagerleiter und der Personalreferent der Beklagten teilnahmen. Ausweislich des Gesprächsprotokolls erklärte der Kläger, dass er gesundheitlich in der Lage sei, zunächst in einer einschichtigen Arbeitszeit, beginnend ab 7:00 Uhr, seine Arbeitsleistung als Staplerfahrer zu erbringen. Mit Schreiben vom 30.04.2015 teilte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger mit, ihr ärztlicher Dienst habe festgestellt, dass er nicht mehr leistungsgemindert sei und wieder vollschichtig arbeiten könne. Er solle sich umgehend mit seinem Arbeitgeber in Verbindung setzen. Die Beklagte lehnte die Beschäftigung des Klägers mit der Begründung ab, er sei nach Einschätzung ihres Betriebsarztes Dr. P. vom 06.05.2015 auf unabsehbare Zeit nicht für Arbeiten geeignet, die mit dem Bedienen und Fahren von Flurförderzeugen verbunden seien.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Einschätzung des Betriebsarztes sei unzutreffend. Er stütze sich auf das ärztliche Gutachten der Bundesagentur für Arbeit als auch auf die ärztliche Begutachtung des Internisten und Diabetologen M. vom 14.02.2015. Danach sei er in der Lage, seine Tätigkeit als Staplerfahrer in einer einschichtigen Arbeitszeit beginnend ab 07:00 Uhr zu erbringen. Da er ausweislich der Bescheinigung vom 09.08.2015 die erforderliche Diabetesschulung vom 27. bis 31.07.2015 abgelegt habe, sei ihm die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung spätestens ab August 2015 wieder möglich gewesen. Die Bescheinigung habe er der Beklagten Anfang August 2015 übermittelt. Die Beklagte befinde sich seit dem 01.08.2015 in Annahmeverzug, so dass sein Zahlungsanspruch für die Zeit vom 01.08.2015 bis zum 31.05.2016 begründet sei. Der Anspruch scheitere auch nicht daran, dass er seine vollschichtige Arbeitsleistung nicht mehr von 05:00 bis 13:00 Uhr, sondern erst ab 07:00 Uhr erbringen könne. Er benötige wegen der Diabetes eine längere Nachtruhephase; Nachtarbeit solle er prinzipiell vermeiden. Die Bekl...