Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenformel, gespaltene. Betriebliche Altersversorgung. außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275 c SGB VI zwingt nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung. Eine lückenhafte Regelung liegt nicht vor. Nur bei Unzumutbarkeit der Folgen kann eine Anpassung nach den Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage verlangt werden (Abweichung von BAG v. 21.04.2009 – 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Urteil vom 23.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 117/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 23.08.2011 – 2 Ca 117/11 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens (beider Rechtszüge) werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger ist am 21.07.1946 geboren. Er war seit dem 11.02.1970 als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand. Dieser bezog ab 01.08.2009 vorgezogene gesetzliche Altersrente.

Unter dem 18.11.1985 vereinbarten die Parteien die Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung. In der Vereinbarung heißt es u. a. :

„2. Ab 1. Juli 1985 errechnet sich das Ruhegeld wie folgt:

Für jedes vollendete Dienstjahr, das Sie seit Vollendung Ihres 30. Lebensjahres ununterbrochen in unserer Firma tätig gewesen sind, erhalten Sie 0,5 % des pensionsfähigen Einkommens für den Einkommensanteil bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (zur Zeit 5.400,– DM) plus 2 % des pensionsfähigen Einkommens für den Einkommensanteil über der Beitragsbemessungsgrenze. …”

Das pensionsfähige Jahresgehalt des Klägers bei Ausscheiden betrug 76.002,00 EUR.

§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über die maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung vom 17. Dezember 2002 für das Jahr 2003 hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,00 EUR jährlich und auf 4.600,00 EUR monatlich festgesetzt.

Sodann wurde durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 (Bundesgesetzblatt I 2002 Seite 4637) § 275 c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 01. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 EUR jährlich und 5.100,00 EUR monatlich fest. Zudem wurden durch § 275 c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgesetzt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis und auch für die folgenden Jahre erhöhend auf die Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch die Verordnungen gem. § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. Der Gesetzgeber hatte die Berechnungsgrundlagen des § 159 SGB VI verlassen und die Beitragsbemessungsgrenze um ein Vielfaches der „normalen” Erhöhungsrate erhöht, um über höhere Beitragseinnahmen eine Dämpfung des Anstiegs der Beitragssätze zu erreichen.

Durch die „außerplanmäßige” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze stehen dem Kläger monatlich um 30,60 EUR erhöhte gesetzliche Rentenansprüche zu.

Die Beklagte berechnete die Betriebsrente des Klägers unter Berücksichtigung der gesetzlich bestehenden Beitragsbemessungsgrenzen unter Berücksichtigung eines Abschlags auf 95,18 % wegen Ausscheidens vor dem 65. Lebensjahr unter Abzug von 0,5 % je Monat des vorzeitigen Ausscheidens auf einen Betrag von 1.338,83 EUR. Dieser Betrag wird dem Kläger ausbezahlt. Der Kläger hält unter Berufung auf die Rechtsprechung des 3. Senates des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 21.04.2009 – 3 AZR 695/08 – diese Berechnung angesichts einer bestehenden planwidrigen Regelungslücke für unzutreffend, die „außerplanmäßige Erhöhung” der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00 EUR pro Monat müsse außer Ansatz bleiben. Entsprechend erhöhte Beträge hat der Kläger von der Beklagten eingefordert.

Er hat vorgetragen, die Versorgungsregelung mit der „gespaltenen Rentenformel” sei lückenhaft geworden und dementsprechend ergänzend auszulegen. Die Versorgungszusage nehme, wenn auch nicht ausdrücklich, Bezug auf die Anpassungsregel des § 159 SGB VI. Durch die außerordentliche Anhebung, die nicht in der Entlastung der Arbeitgeber bei der Zahlung der Betriebsrenten, sondern die Dämpfung des Anstiegs der Beitragssätze zum Zweck gehabt habe, könne der Regelungsplan nicht mehr erreicht werden. Das Versorgungsziel werde verfehlt. Sinn einer gespaltenen Rentenformel...

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