Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsnachfolger. Schwerbehinderteneigenschaft. Kündigung ohne Integrationsamt

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Zustimmung des Intergrationsamts führt stets zur Unwirksamkeit der Kündigung ohne dass es auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung ankommt.

 

Normenkette

SGB IX § 85

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 02.12.2005; Aktenzeichen 6 Ca 613/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 02.12.05 – AZ: 6 Ca 613/05 – wird insoweit zurückgewiesen als die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.02.05 angegriffen wird.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Kündigungen, die die Beklagte aus betriebsbedingten Gründen ordentlich am 25.02. und 29.06.2005 erklärt hat, wirksam sind.

Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 60 auf und hat, soweit für das vorliegende Urteil von Interesse, seine am 18.03.2005 per Telefax bei Gericht eingegangene Klage, nach Zugang der Kündigung am 26.02.2005, im Wesentlichen damit begründet,

dass die Kündigung nach § 85 SGB IX unwirksam sein, weil vor Ausspruch der Kündigung vom 25.02.2005 die Beklagte keine Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 25.02.2005, noch durch die weitere schriftliche Kündigung vom 29.06.2005 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, dass der Kläger sich auf den Sonderkündigungsschutz als Schwerbehinderter nicht berufen könne, weil der Beklagten bei Ausspruch der ersten Kündigung diese Tatsache unbekannt gewesen sei und der Kläger sich erst weit nach Ablauf eines Monats nach Zugang der Kündigung auf seine Schwerbehinderung berufen habe.

Das Arbeitsgericht hat durch das angefochtene Urteil vom 02.12.2005 der Kündigungsschutzklage in vollem Umfange stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auf einem anderen freien Arbeitsplatz in Dortmund möglich gewesen sei, weil die Tätigkeit für die Firma Z. nicht eingestellt, sondern nach Dortmund verlagert worden seien.

Nach Zustellung des Urteils am 15.03.2006 ist Berufung am 04.04.2006 eingelegt worden, die innerhalb verlängerter Frist am 09.06.2006 im Wesentlichen damit begründet worden ist,

dass die Beschäftigungsmöglichkeit in Bad Kreuznach auf Dauer entfallen sei und es in Dortmund keinen freien Arbeitsplatz gegeben habe. Den für den Ausspruch der Kündigung bei der Beklagten zuständigen Personen sei es nicht bekannt gewesen, dass der Kläger Schwerbehinderter sei. Der Kläger habe zudem nicht innerhalb eines Monats nach Erhalt der Kündigung am 25.02.2005 auf die bestehende Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 02.12.2005 – AZ: 6 Ca 613/05 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte nicht damit gehört werden könne, dass sie um die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht gewusst habe, da sich im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23.12.2000 im Zusammenhang mit dem Jahresurlaub die Passage finde, dass zusätzlich entsprechend dem Schwerbehindertengesetz ein weiterer Urlaub von 5 Tagen gewährt werde. Dieses Wissen des Vorgängerarbeitgebers müsse sich die Beklagte als Rechtsnachfolger als eigenes Wissen anrechnen lassen.

Der Kläger habe zudem auch in jedem Jahr der Betriebszugehörigkeit seinen Zusatzurlaub als Schwerbehinderter erhalten.

Mit Schreiben vom 13.07.2006 hat der Kläger die Klage hilfsweise um einen Wiedereinstellungsantrag erweitert und die Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2006 einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung angekündigt hat. Beide Anträge wurden gestellt und von der jeweiligen Gegenseite Zurückweisung beantragt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, nebst deren Anlagen ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 216-220 d. A.).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da innerhalb der gesetzlichen Frist und in erforderlicher Form eingelegt.

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung durch Teilurteil, § 301 ZPO, reif, soweit es um die Wirksamkeit der Kündigung geht, die die Beklagte mit Schreiben vom 25.02.2005 erklärt hat.

Diese Kündigung ist unwirksam, weil die Beklagte nicht die Zustimmung der Integrationsbehörde nach § 85 SGB IX eingeholt hat. Der Kläger ist, was mittlerweile unstreitig ist, ein schwer behinderter Mensch i. S. d...

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