Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweistufige Prüfung der Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung. Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei fristloser Kündigung. Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände bei Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. Prüfung der Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe durch den Betriebsrat ohne eigene Erkundigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen der zweistufigen Prüfung der Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung geht es zum einen darum, dass die Kündigung auf einen wichtigen Grund gestützt wird und zum anderen um das überragende Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
2. Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung sind das Berufen der Kündigung auf diesen Verdacht, die Anhörung des Arbeitnehmers zum Vorwurf vor Ausspruch der Kündigung und das Bestehen eines dringenden Tatverdachts zu Lasten des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung.
3. Das Einbehalten von vier anstatt zwei vereinbarten Einladungen im Wert von 15 Euro rechtfertigen wegen der Veruntreuung eine fristlose Kündigung.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; ZPO § 286 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 08.11.2018; Aktenzeichen 5 Ca 281/18) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 08.11.2018 - 5 Ca 281/18 - aufgehoben.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren zuletzt nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 03.04.2018 beendet worden ist, oder aber nicht.
Die am 1967 geborene, ledige Klägerin ist bei der Beklagten seit 1986 beschäftigt. Sie arbeitete zunächst als Programmplanerin im Bereich Zentrale Termin- und Kapazitätsplanung im Umfang von 37 Arbeitsstunden pro Kalenderwoche. In der Zeit von 2006 bis zum 31.03.2018 war die Klägerin ordentliches Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates. Sie erhielt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von ca. 5.633,34 EUR. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz Anwendung. Die Beklagte beschäftigt alleine im GLC in C-Stadt ca. 2.700 Arbeitnehmer. Später war die Klägerin als Sachbearbeiterin in der Abteilung GSP/OGA in der Funktion einer Programm-Arbeitskräfteplanerin eingesetzt.
Kündigungsauslösend war, dass die Beklagte am 17.09.2017 das GLC-Sommerfest 2017 veranstaltet hat. Auf die an den Betriebsrat der Beklagten als Gremium gerichtete Bitte der Beklagten, Vertreter in das "Orga-Team" zu entsenden, meldete sich die Klägerin als damaliges Betriebsratsmitglied. Die Einladungsbriefe für das GLC-Sommerfest mit je zwei Bögen von Wertgutscheinen à 7,50 Euro sollten durch das Orga-Team ein kuvertiert werden. Für diese Tätigkeit meldete sich die Klägerin und zog zu ihrer Unterstützung eine weitere Person hinzu. Am Dienstag, dem 22.08.2017, haben die Klägerin und die sie unterstützende Person, ebenfalls Betriebsratsmitglied, ab 10.00 Uhr über den ganzen Tag hinweg Einladungsumschläge einkuvertiert. Es handelte sich dabei insgesamt um ca. 1352 einzukuvertierende Einladungen nebst weiteren Bestandteilen. Des Weiteren hat die Klägerin auch am Mittwoch, dem 23.08.2017, am, dem Donnerstag, 24.08.2017 und ggfs. auch noch am Freitag, dem 25.08.2017 weitere Einladungen einkuvertiert.
Am 30.08.2017 entschied die Beklagte aufgrund eines nicht vorhersehbaren sicherheitsrelevanten Vorfalls, dass die Briefe wieder geöffnet werden müssen, um einen weiteren Sicherheitshinweis hinzuzufügen. Bei der erneuten Öffnung der Briefe am Dienstag, dem 30.08.2017, fiel zunächst auf, dass der Brief an die die Klägerin beim Einkuvertieren unterstützende Person besonders dick war. Es befanden sich darin sechs Gutscheinbögen á 7,50 Euro statt korrekterweise zwei Gutscheinbögen. In der Folge wurde dann festgestellt, dass im Kuvert für die Klägerin vier Gutscheinbögen á 7,50 Euro, statt zwei Gutscheinbögen, also mit einer von Differenz 15,00 Euro, eingelegt waren. Die Klägerin wurde von der Beklagten am 01.09.2017 zu einem Personalgespräch eingeladen. Der Verlauf dieses Personalgespräches ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin hat vorgetragen,
sie sei seit mehr als 31 Jahren Arbeitnehmerin der Beklagten, seit vielen Jahren Mitglied des Betriebsrates und zum einen stolz darauf, für das Unternehmen zu arbeiten, gleichzeitig aber auch stolz darauf, die ihr obliegenden Verpflichtungen als Betriebsratsmitglied und sich die hieraus ergebenden gegenläufigen Interessen gegen die Beklagte durchzusetzen, soweit und sofern dies erforderlich gewesen sei. Sie habe damit sich über viele Jahre hinweg für den Betriebsfrieden eingesetzt. Ihre Tätigkeit sei von Beginn an sei von Vertragstre...