Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei Gewährung von Urlaub. Keine Entbehrlichkeit der Freistellungserklärung wegen Prokura. Schadensersatz wegen Nichtherausgabe von Passwörtern
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer einseitigen empfangsbedürftigen Freistellungserklärung des Arbeitgebers, wobei dieser die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat.
2. Die Freistellungserklärung an sich ist nur als solche geeignet, wenn der Arbeitnehmer den Freistellungswillen erkennen kann.
3. Es besteht kein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer wegen Nichtherausgabe von Passwörtern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da der Arbeitgeber weder eine Pflichtverletzung noch einen Schaden hat nachweisen können.
Normenkette
BGB §§ 280, 394; BUrlG § 7 Abs. 4; ZPO § 850c; BGB §§ 287, 362, 619a; ZPO § 97
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 24.11.2020; Aktenzeichen 4 Ca 131/20) |
Tenor
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24.11.2020, Az. 4 Ca 131/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers sowie um einen Schadensersatzanspruch der Beklagten.
Der Kläger war in der Zeit vom 21.06.2010 bis zum 31.12.2019 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.230,- EUR beschäftigt. Die Beendigung zum 31.12.2019 wurde in einem vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern geschlossenen Vergleich (Az. 4 Ca 404/19) vereinbart, nachdem die Beklagte zuvor eine am 26.09.2019 zugegangene außerordentliche Kündigung ausgesprochen und der Kläger hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben hatte.
Am 20.08.2019, am 09.09.2019 und auch am 28.09.2019 fanden Gesellschafterversammlungen der Beklagten bzw. Besprechungen zwischen -unter anderem- dem Kläger und Gesellschaftern der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten, der s.+s. m. GmbH, statt. Die Einzelheiten dieser Gespräche sind zwischen den Parteien streitig. Im Vorfeld des Termins vom 20.08.2019 erbat die s.+s. m. GmbH von dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, Herrn L. A., die Nennung von Betriebsdaten und Passwörtern der Beklagten.
Der Kläger hat erstinstanzlich -soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung- vorgetragen, 20 der 25 vereinbarten Urlaubstage habe er nicht genommen, so dass diese abzugelten seien. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Er habe keine Pflichten im Arbeitsverhältnis verletzt und sei durch seine Arbeitgeberin nicht zur Herausgabe von Passwörtern aufgefordert worden. Dies sei schon deswegen ausgeschlossen, da für die Beklagte selbst in der Zeit vom 01.09.2019 bis zum 13.10.2019 kein Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Zudem habe Herr L. A. bereits alle von der Beklagten gewünschten und benötigten Informationen zur Verfügung gestellt.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger brutto 19.273,62 EUR abzüglich bereits geleisteter netto 3.458,52 EUR zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 01.10.2019 bis zum 31.12.2019 Provisionen in Höhe von brutto 2.009,30 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat den Antrag zu 2. anerkannt und im Übrigen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen, ein Schadensersatzanspruch bestehe, da der Kläger anweisungswidrig Administratoren-Passwörter für sich behalten habe. Als Prokurist der Beklagten habe er deren IT mit nur ihm bekannten Passwörtern abgesichert. Zu deren Herausgabe sei er am 09.09.2019 und am 17.09.2019 von Repräsentanten der Mehrheitsgesellschafterin aufgefordert worden und habe diese verweigert. Diese Passwörter hätten deswegen bei den Software-Firmen und Providern erfragt werden müssen. Zwei Mitarbeiter der s.+s. m. GmbH hätten insgesamt 53,75 Stunden benötigt, um einen Zugang zum IT-System der Beklagten herzustellen, Domains zu sichern und das gesamte System einer Prüfung zu unterziehen.
Die Urlaubsansprüche des Klägers seien vollständig erfüllt. Dies könne man anhand der Zeiterkennung feststellen, die an 31 Tagen des Jahres 2019 keine Anwesenheit des Klägers ausweise. Der Kläger habe als Prokurist seinen Urlaub nicht schriftlich beantragen müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage weitestgehend, bis auf erstinstanzlich noch verfolgte Entgeltfortzahlungsansprüche, stattgegeben. Zur Begründung hat es - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung- ausgeführt, die geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüche seien begründet. Der bloße Hinweis auf Abwesenheitszeiten genüge nicht, um eine Erfüllung der Urlaubsansprüche darzulegen.
Eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch habe die Beklagte nicht vornehmen dürfen. Es könne offenbleiben, ob der Kläger angesichts der durch die Beklagte verursachten unübersichtlichen Lage überhaupt ...