Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtabmeldung im Zeiterfassungssystem als Kündigungsgrund. Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei einmaliger, nicht schwerer Pflichtverletzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Nichteinhaltung vorgegebener Arbeitszeiten oder die Nichtabmeldung im Zeiterfassungssystem sind an sich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet.
2. Die Kündigung ist dennoch unwirksam, weil dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist. Es handelt sich bei diesem Nichtabmelden bei der Zeiterfassung um einen einmaligen Verstoß, der zudem nicht schwerwiegend ist, so dass eine Abmahnung hier ausreichend gewesen wäre.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 13.10.2020; Aktenzeichen 1 Ca 539/20) |
Tenor
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 13.10.2020, Az. 1 Ca 539/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger begann im November 2011 seine Tätigkeit bei der Beklagten als Sachgebietsleiter Debitorenbuchung. Zuletzt war er als Leiter der Abteilung Finanzen, einer Abteilung mit 17 Mitarbeitern, tätig.
Am 30.11.2019 veranlasste der Kläger auf Kosten der Beklagten die Versendung eines Blumenstraußes und einer Genesungskarte an eine langfristig erkrankte Kollegin. Die Kosten hierfür betrugen 34,25 EUR.
Zudem fand auf Initiative des Klägers am 18.12.2019 eine etwa zweistündige abteilungsinterne Veranstaltung statt. Hierfür ließ der Kläger einen Besprechungsraum für die Zeit von zehn bis zwölf Uhr vormittags reservieren und weihnachtlich schmücken, zudem bestellte er Gebäckwaren zu diesem Anlass im Wert von 96,70 EUR. Währen dieser Veranstaltung war zunächst für etwa 15 Minuten (so die Beklagte) bzw. 30 Minuten (so der Kläger) der Jahresabschluss der Abteilung Thema, im Anschluss wurden private Gespräche geführt. Der Kläger hatte sich während dieser Zeit nicht aus dem Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgeloggt.
Bei der Beklagten existiert eine Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie.
Auszugsweise lautet diese:
8. Interne Veranstaltungen am Geschäftssitz (z.B. Klausurtagungen, Workshops, Dienstberatungen) sind im steuerlichen Sinne keine Repräsentationsmaßnahmen, die zur Gewährung von Bewirtungen berechtigen. Zulässig sind Aufmerksamkeiten, die keinen Mahlzeitcharakter haben (kalte und heiße Getränke, Gebäck und kleine Snacks).
9. Geschenke, Sachzusendungen, Werbemittel: (...) Sachzuwendungen an Beschäftigte der Universitätsmedizin C-Stadt (Eigenpersonal) sind aus gesetzlichen und tariflichen Anlässen bis brutto 40,- EUR/ Jahr zulässig (z.B. Dienstjubiläen).
Die Beklagte hörte den Personalrat am 23.03.2020 zu den beabsichtigten außerordentlichen Kündigungen des Klägers aufgrund der Versendung des Blumenstraußes, der Veranstaltung der Weihnachtsfeier und der Beschaffung von Gebäck auf Kosten der Beklagten zu diesem Anlass an. Mit Schreiben vom 27.03.2020 teilte der Personalrat mit, dass er den "Mitwirkungsantrag ablehne" .
Am 30.03.2020 sprach die Beklagte drei fristlose Kündigungen aus, am 16.04.2020 weitere drei außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen zum 30.09.2020.
Gegen diese Kündigungen wendet sich der Kläger.
Hierzu hat er erstinstanzlich vorgetragen, in den vorausgegangenen Jahren habe stets eine Veranstaltung zum Jahresende in dem Rahmen stattgefunden, wie es auch 2019 der Fall war. Stets habe die Abteilungsleitung etwa eine halbe Stunde referiert, danach seien Privatgespräche geführt worden und es seien Snacks und Getränke zur Verfügung gestellt worden. Im Januar 2020 habe der Vorgesetzte des Klägers mitgeteilt, dass fortan keine Häppchen mehr bei den Abschlussveranstaltungen angeboten werden sollten.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer angeblichen Weihnachtsfeier am 18.12.2019 nicht aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 96,70 € nicht aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 34,95 € aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen angeblicher Weihnachtsfeier am 18.12.2019 nicht aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 96,70 € nicht aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen...