Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Schadensersatzanspruch. Sozialplan. Unterrichtung, fehlerhafte. Verwirkung. fehlerhafte Unterrichtung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Unterrichtungspflicht nach § 613 a Abs. 5 BGB handelt es sich um eine echte Rechtspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann. Bei der Verletzung der Unterrichtungspflicht wird ein Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.

2. Ein Arbeitnehmer, der geltend macht, nicht oder nicht vollständig über den Betriebsübergang unterrichtet worden zu sein, ist so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er richtig und vollständig informiert worden wäre. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer vortragen und beweisen muss, dass ihm infolge der unterbliebenen Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung müsste der Arbeitnehmer gem. § 613 a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen haben und der geltend gemachte Schaden dürfte nicht eingetreten sein. Hierfür hat der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Bei Verletzungen von Aufklärungspflichten kann zwar eine Vermutung bestehen, dass sich der Geschädigte aufklärungsgerecht verhalten hätte. Das setzt jedoch voraus, dass nur eine Handlungsmöglichkeit besteht.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 613a Abs. 5-6, 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 6 Ca 1334/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 3. September 2008, Az.: 6 Ca 1334/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger wegen fehlerhafter Unterrichtung über einen Betriebsübergang Schadensersatz in Höhe einer Frühruhestands-Abfindung zu zahlen.

Der Kläger (geb. am 23.09.1949) war seit dem 02.01.1971 bei der Beklagten als Maschinenschlosser zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.084,18 EUR beschäftigt. Er wurde im Werk Z. eingesetzt, das zum Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) gehörte.

Im Sommer 2004 ist die Beklagte an den Kläger zwecks Vereinbarung einer Frühruhestandsregelung herangetreten. In der Folgezeit fanden zwischen den Parteien mehrere Gespräche statt. Eine endgültige Einigung erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 (Bl. 7-10 d. A.) unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, dass sie den Bereich CI mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete Y. GmbH übertragen werde. Es lautet auszugsweise:

„…

3. Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:

Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt Y. GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben X. AG, Y.GmbH, Gesamtbetriebsrat der X. AG sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung „zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen” abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:

  • Die bei der X. AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei Y. GmbH anerkannt.
  • Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei Y.GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
  • Die kollektiv-rechtliche Geltung der am 31. Oktober 2004 bei der X. AG bestehenden Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen bleibt bei der Y. GmbH unverändert. Dies gilt auch für die bei der X. AG geltenden Richtlinien.
  • Die Gesamtbetriebsvereinbarungen zum Sozialplan gelten bei Y. GmbH oder einer Schwester- oder Tochtergesellschaft als Sozialplan sowohl auf Ebene des Unternehmens wie auch auf örtlicher Ebene mindestens bis zum 31. Dezember 2007.

4. Zu den hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen:

Der Geschäftsbereich CI muss unabhängig von dem Übergang seine Strukturen den Entwicklungen des Marktes anpassen und damit Kosten signifikant reduzieren. Daneben müssen möglichst viele unabhängig von Verkauf und Produktion anfallende fixe Kosten zu solchen Kosten variabilisiert werden, die immer nur dann anfallen, wenn die entsprechende Leistung gebraucht wird. Dazu gehört auch Outsourcing von Aktivitäten, die nicht zwingend selbst und mit eigenem Personal durchgeführt werden müssen.

Mit dem im vergangenem Jahr eingeführten „Consumer Imaging Programm für Profitabilität” (CIPP) ist es gelungen, das Ergebnis trotz des massiven Umsatzrückgangs nicht weiter zu verschlechtern. Aber es ist weiterhin stark negativ und die Umsatzentwicklung ist deutlich schwächer als geplant.

Die Unternehmensleitung hat daher dem Wirtschaftsausschuss eine „CIPP2”-Planung vorgestellt, die einen weiteren Personalabbau bei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge