Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Begriff des leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufgrund der namentlichen Benennung eines Arbeitnehmers in der Namensliste des Interessenausgleichs wird gemäß § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.
2. Die Eigenschaft als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG setzt gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG voraus, dass der Arbeitnehmer zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (hier: verneint).
Normenkette
BetrVG § 5 Abs. 3; InsO § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KSchG § 1 Abs. 3; SGB IX § 164 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 14.10.2021; Aktenzeichen 6 Ca 232/21) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 14. Oktober 2021, Az. 6 Ca 232/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die Beklagte ist ein Kranhersteller. Sie beschäftigte in ihren zwei Werken am Standort A-Stadt (A-Straße und E-Straße) vor der Massenentlassung 1.536 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Der im März 1966 geborene Kläger (verheiratet, keine unterhaltsberechtigten Kinder) war bei der Beklagten seit 1. September 1982 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 10.430,00 beschäftigt. Er ist ein schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Der letzte schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 5. April/ 19. Mai 2017 lautet ua. wie folgt:
"§ 1 Aufgaben und Pflichten
(1) Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung zum 5. April 2017 als Director Quality & Product Delivery Inspection beschäftigt. Der Arbeitnehmer übernimmt ferner die Bereiche Elevate sowie die Betreuung ausgewählter Key Accounts gemäß Anlage.
(2) ...
(3) Aufgrund dieser Aufgabenstellung ist der Arbeitnehmer leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG."
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2018 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, mit Schreiben vom 8. März 2019 hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 2019 gekündigt. Der Kläger war bereits Mitte September 2018 freigestellt worden. Im Kündigungsschutzprozess hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 11. April 2019 (6 Ca 603/18) der Klage stattgegeben und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat mit - rechtskräftigem - Urteil vom 2. Dezember 2019 (3 Sa 234/19) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. In diesem Vorprozess war ebenso wie in dem erstinstanzlich mit Urteil vom 27. Februar 2020 (6 Ca 308/19) - rechtskräftig - abgeschlossenen Rechtsstreit über Folgekündigungen und einen weiteren Auflösungsantrag der Beklagten der Status des Klägers als leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG streitig.
Unter dem 8. Oktober 2020 beantragte die Beklagte die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung nach § 270b InsO. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (1 IN 52/20) hat das zuständige Amtsgericht Zweibrücken die vorläufige Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren angeordnet und WP/StB F.F. zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1. Januar 2021 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet.
Nach Verhandlungen schloss die Beklagte am 4. Januar 2021 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Insolvenzsozialplan sowie eine Betriebsvereinbarung zur Schaffung von Auffangstrukturen, die ua. die Errichtung einer Transfergesellschaft vorsah. Im Interessenausgleich wurden Umstrukturierungsmaßnahmen beschrieben, die zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führten. Es wurden ua. 58 Versetzungen, 51 Änderungskündigungen sowie 392 Beendigungskündigungen geregelt. In der mit dem Interessenausgleich fest verbundenen Namensliste der Mitarbeiter, denen die betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen werden sollte, findet sich auch der Name des Klägers. Der Kläger lehnte den angebotenen Übertritt in die Transfergesellschaft ab.
Nach Zustimmung des Integrationsamts mit Bescheid vom 26. Februar 2021 sowie nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 5. März 2021 ordentlich zum 30. Juni 2021. Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 5. März 2021 zum 30. Juni 2021 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbesta...