Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB-Kontrolle, Ermessen, billiges, Versetzung, Versetzung. Versetzung eines Therapeuten bei Verletzung der Dokumentationspflichten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 1 Abs. 6 AVR-DPWV kann die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter eine andere, seinen Fähigkeiten entsprechende, zumutbare Tätigkeit zuweisen; soweit weder die Arbeitsvertragsrichtlinien noch Einzelvereinbarungen eine Regelung treffen, gelten nach § 14 AVR-DPWV die gesetzlichen Bestimmungen.

2. Die Arbeitgeberin hat ein berechtigtes Interesse daran, einen als Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten im Betriebsbereich Tagesstätte tätigen Arbeitnehmer nicht mehr an seinen bisherigen Arbeitsplatz zu beschäftigen, wenn dieser seine ihm dort obliegenden Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt; dabei kommt es nicht darauf an, ob das von der Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer in allen Einzelheiten zur Last gelegte Verhalten tatsächlich gegeben und letztlich auch im Sinne der Arbeitgeberin zu bewerten und zu würdigen ist, wenn der Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Dokumentation des Betreuungsverlaufs nicht genügt, obwohl es sich insoweit um eine wesentliche vertragliche Verpflichtung handelt, da nur so ein Therapieverlauf erkennbar ist, sowohl für den betreuten Klienten als auch für etwaige den Arbeitnehmer im Krankheits- und oder Urlaubsfall vertretende Kollegen.

 

Normenkette

BGB §§ 305 ff.; GewO § 106; BGB § 611 Abs. 1; GewO § 106 S. 1; AVR-DPWV § 1 Abs. 6, § 14

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 29.03.2012; Aktenzeichen 9 Ca 1134/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.03.2012 - 9 Ca 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob eine von der Beklagten erklärte Versetzung des Klägers rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH für psychosoziale Einrichtungen. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1998 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.08.1998 "als Mitarbeiter in der Tätigkeit eines Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten im Betriebsbereich Tagesstätte" beschäftigt. Zwischen den Parteien ist die Geltung der vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR-DPWV) in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

Die Tagesstätte des gemeindepsychiatrischen Zentrums ist eine teilstationäre Einrichtung der sozialpsychiatrischen Eingliederungshilfe. Sie bietet Hilfen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 9 i.V.m. § 54 SGB XII an. Zielgruppe der Tagesstätte sind chronisch psychisch erkrankte behinderte Menschen, die nicht oder noch nicht in der Lage sind, einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nachzugehen und deshalb auf eine regelmäßige, verlässliche Tagesstruktur angewiesen sind. Das Spektrum der tagesgestaltenden Hilfen umfasst Beschäftigungs- und Zuverdienstangebote, Fördergruppen und Einzeltrainings, Kreativ- und Freizeitangebote. Begleitend werden die Tagesstättenbesucher psychosozial in den Bereichen Alltagsbewältigung, Gesundheitsförderung und Krisenbewältigung betreut. Das vier- bzw. fünfköpfige Team wird durchschnittlich von 30 Klienten (Besuchern und Nutzern der offenen Angebote) täglich während der Öffnungszeit zwischen 9.00 und 17.00 Uhr frequentiert. Neben der Vorbereitung und Durchführung von Gruppenangeboten und Einzelfördermaßnahmen stehen die Mitarbeiter als Bezugsbetreuer acht bis zwölf Klienten als Ansprechpartner zur Verfügung.

Der Kläger, der 2003 einmal depressiv erkrankt war mit einer anschließenden therapeutischen und medikamentösen Behandlung, war 2009 und 2010 an 39 Tagen arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 2011 vom 10.01. bis 21.02.2011. Die zuletzt genannte Fehlzeit beruhte auf einer depressiven Erkrankung.

Nach Rückkehr des Klägers an seinen Arbeitsplatz fanden verschiedene Gespräche statt, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Nach einem nicht abgeschlossenen BEM, Zeiten der Freistellung und Schriftverkehr zwischen den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten, versetzte die Beklagte den Kläger schlussendlich mit Schreiben vom 06.06.2011 "unter Beibehaltung der zur Zeit gezahlten Bezüge und der Position Arbeits- und Beschäftigungstherapeut... mit Wirkung zum 15.06.2011 in die Abteilung S.".

Der Kläger, der auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, konnte von seinem Wohnort zuvor die Tagesstätte in 35 Minuten erreichen. Für die Fahrt zum neuen Arbeitsplatz benötigt er nach seiner Darstellung eine Stunde Fahrzeit zzgl. 20 Minuten Fußweg für eine Strecke.

Nach den Vorstellungen der Beklagten soll der Kläger, der eine handwerkliche Ausbildung und eine Ausbildung als Arbeitserzieher hat, im Servicecenter Bereiche S. und R. mit zuständig für die Erarbeitung von Rahmenbildungsplänen für Werkstattbeschäftigte innerhalb des Projekts Bildungs- und Qualifizierungsmanagement sein. Nach ei...

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