Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung.
2. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gem. § 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
3. Auch wenn ein Arbeitnehmer während der langen Betriebszugehörigkeit nie versetzt worden ist, darf er nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber wolle auch in Zukunft von seiner Versetzungsbefugnis keinen Gebrauch machen.
Normenkette
AVR § 9; BGB § 315; GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 05.12.2018; Aktenzeichen 4 Ca 769/18) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Ort der Beschäftigung des Klägers und einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlender Zuweisung von Rufbereitschaftsdiensten.
Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01. April 2001 als Anästhesiepfleger in deren Krankenhaus in M. zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 5.223,57 EUR beschäftigt.
Der zwischen dem Kläger und der damaligen St. J.-Krankenhaus GmbH, M., als Rechtsträgerin des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in M., geschlossene Dienstvertrag vom 22. Januar 2001 (vgl. zum vollständigen Inhalt Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 11 f. d. A.) beinhaltet insbesondere die nachfolgenden Regelungen:
§ 1 Der Mitarbeiter wird ab 01. April 2001 als Anästhesiepfleger in 00000 M. (Arbeitsort) eingestellt.
...
§ 2 Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Dem Mitarbeiter ist Gelegenheit zu Einsichtnahme in die AVR gegeben.
...
§ 9 der AVR beinhaltet in der aktuellen Fassung die nachfolgenden Regelungen:
§ 9 Versetzung und Abordnung
(1) 1Der Mitarbeiter kann im Rahmen seiner vertraglich vorgesehenen Tätigkeit aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen in eine andere Einrichtung desselben Dienstgebers unter Wahrung des Besitzstandes versetzt oder bis zu sechs Monatenabgeordnet werden. 2Vor der Versetzung oder Abordnung ist der Mitarbeiter zu hören. 3Zu einer Versetzung, die mit der Zuweisung eines anderen dienstlichen Wohnsitzes verbunden ist, ist die Zustimmung des Mitarbeiters erforderlich.
(2) Von einer Versetzung oder Abordnung des Mitarbeiters soll Abstand genommen werden, wenn sie ihm aus persönlichen Gründen nicht zumutbar ist (z.B. mit Rücksicht auf seine Familie).
(3) Während der Probezeit (§ 7 Abs. 4) ist eine Versetzung oder Abordnung nur mit Zustimmung des Mitarbeiters zulässig.
(4) Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes in derselben Einrichtung ist keine Versetzung oder Abordnung im Sinne der Absätze 1 bis 3.
Das Arbeitsverhältnis ist im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen, welche neben der Klinik in M. eine weitere Klinik in K. betreibt.
Für beide Standorte ist eine Mitarbeitervertretung (nachfolgend MAV) zuständig. Deren Vorsitzender war im Jahr 2017 Herr W. M..
Mit Schreiben vom 02. Februar 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers gab das Arbeitsgericht Koblenz in dem Verfahren 4 Ca 491/17 mit Urteil vom 27. September 2017 statt.
Mit Schreiben vom 28. September 2017 (Bl. 61 d. A.), das dem MAV-Vorsitzenden M. am selben Tag zuging, beantragte die Beklagte die Zustimmung der MAV zu der Versetzung und Beschäftigung des Klägers in der Betriebsstätte Marienhof. in K. ab dem 01. Oktober 2017 binnen der Wochenfrist gemäß § 37 MAVO für das Bistum T.. Am 29. September 2017 erhielt die Beklagte ihr Schreiben vom 28. September 2017 zurück mit der Stellungnahme der MAV "Zustimmung erteilt", unterzeichnet von dem MAV-Vorsitzenden M..
Mit Schreiben vom 07. November 2017 (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 15 d. A.) forderte die Klägervertreterin die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers in M. auf. Mit E-Mail vom 14. November 2017 (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 16 d. A.) teilte der Beklagtenvertreter mit, dass der Kläger ab dem 20. November 2017 seine Tätigkeit im Bereich Anästhesie am Standort Marienhof in K. aufnehmen sollte, insoweit also versetzt werde.
Der Kläger arbeitet seitdem in der Klinik der Beklagten in K., wobei er von seinem Wohnort aus nach K. eine Strecke von (zumindest) 37 km anstatt der zuvor benötigten 10 km zurückzulegen hat. Während der Kläger in M. regelmäßig zu 6 - 8 Diensten Rufbereitschaft im Monat eingeteilt wurde und hieraus ein entsprechendes Entgelt erzielte, existiert in K....