Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung aufgrund offensichtlich unwirksamer Kündigung. Keine Wahrung der obligaten Schriftform bei Kündigung ohne Originalunterschrift

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach §§ 611, 613 i.V.m. § 242 BGB, weil die angegriffenen ersten beiden Kündigungen wegen fehlender Einhaltung der Schriftform offensichtlich unwirksam sind.

 

Normenkette

GewO § 106 S. 1; BGB §§ 125, 242, 315, 611 Abs. 1, §§ 613, 623; GG Art. 1-2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.01.2021; Aktenzeichen 2 Ga 1/21)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 18.01.2021 - 2 Ga 1/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren noch über einen Beschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers.

Der Verfügungskläger ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrags der Parteien vom 06. Juni 2003 (Bl. 16 - 20 d. A.) nebst einer Ergänzung vom 11. Juli 2007 (Bl. 22, 23 d. A.) als "Leiter Personal- und Sozialwesen" beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 06. Juni 2003 enthält u. a. folgende Regelung:

"(...)

II. Aufgabenbereich:

1. Herr A. wird als Leiter Personal- und Sozialwesen eingestellt und mit einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung seiner Vorgesetzten bzw. der Unternehmensleitung beschäftigt.

2. Herr A. ist außertariflicher Mitarbeiter. Aufgrund der Position im Betrieb, der Aufgabenstellung und der Eigenverantwortlichkeit ist Herr A. Leitender Angestellter gemäß § 5 Absatz 3 BetrVG. Er verpflichtet sich, seine volle Arbeitsleistung nach besten Kräften der Firma zu widmen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch darauf, den Fähigkeiten entsprechende anderweitige Aufgaben, evtl. auch nur vertretungsweise und evtl. auch an einem anderen Ort, bei gleicher Vergütung zu übernehmen.

(...)"

In der unter dem 11. Juli 2007 vereinbarten Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 06. Juni 2003 ist in Ziffer 2 eine Verlängerung der einzelvertraglichen Kündigungsfrist vereinbart, wonach ab dem 01. August 2007 die beiderseitige Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses neun Monate zum jeweiligen Quartalsende beträgt.

Die Verfügungsbeklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in B-Stadt derzeit 374 Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 22. und 29. Mai 2020 kündigte die Verfügungsbeklagte das mit dem Verfügungsbeklagten bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2021. Gegen diese beiden Kündigungen hat der Kläger beim Arbeitsgericht Ludwigshafen Kündigungsschutzklage - 2 Ca 883/20 - erhoben. Mit Schreiben vom 25. August 2020 sprach die Verfügungsbeklagte eine weitere Kündigung zum 30. Juni 2021 aus, die der Kläger im Wege der Erweiterung seiner beim Arbeitsgericht B-Stadt erhobenen Kündigungsschutzklage - 2 Ca 883/20 - angegriffen hat. Ferner sprach die Verfügungsbeklagte eine weitere Kündigung vom 30. Dezember 2020 zum 30. September 2021 aus, gegen die sich der Verfügungskläger mit einer weiteren beim Arbeitsgericht erhobenen Kündigungsschutzklage - 2 Ca 69/21 - wendet. Die Verfügungsbeklagte hat sich zur Begründung der von ihr ausgesprochenen Kündigungen darauf berufen, dass sie Mitte 2020 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Leitungsebenen "Finance" und "Human Resources" mit Wirkung zum 01. Juni 2020 ersatzlos zu streichen und die bisher vom Verfügungskläger ausgeübten Aufgaben im Bereich "Human Resources" dergestalt umzuverteilen, dass der Großteil der bisherigen Aufgaben des Verfügungsklägers künftig von ihrer Geschäftsführerin gemeinsam mit den beiden Mitarbeiterinnen in der Personalabteilung übernommen werde.

Der Verfügungskläger war seit Ende März bzw. Anfang April 2020 bis etwa Mitte Juli 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Als er seine Wiedergenesung mitteilte, wurde er von der Verfügungsbeklagten am 13. Juli 2020 zur Arbeitsleistung aufgefordert. Der Verfügungskläger arbeitete daraufhin am 15. Juli 2020 einen Tag an seinem Arbeitsplatz in B-Stadt. Sodann forderte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger auf, seine Tätigkeit für ein Projekt bei ihrer Tochtergesellschaft, der Verfahrenstechnik S. GmbH, vor Ort an deren Sitz in S-Stadt zu erbringen, der sich ca. 800 km vom Wohnsitz des Verfügungsklägers entfernt an der deutsch-polnischen Grenze befindet. Der Verfügungskläger fuhr am Donnerstag, den 16. Juli 2020, mit einem Mietwagen nach S-Stadt und erbrachte seine Arbeitsleistung dort. Am nächsten Tag fuhr er wieder nach Hause. Er war ab dem 20. Juli 2020 wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig erkrankt.

Die Betriebsärztin, Frau Dr. H., sprach mit ihrer ärztlichen Bescheinigung vom 20. August 2020 (Bl. 56 d. A.) für den Verfügungskläger folgende Empfehlung aus:

"(...)

Nach einer eingehenden Beratung komme ich aus arbeitsmedizinischer Sicht zu folgender Empfehlung:

Um die Arbeitsfähigkeit und den Gesundheitszustand von Herr N. zu erhalten und weiteren Erkrankungen vorzubeugen, sollte der Arbeitsplatz mit einem höhenverstell...

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