Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsanspruch bei vergleichsweiser Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auslegung einer Ausgleichsklausel zur vergleichsweisen Erledigung auch unbekannter Ansprüche unter Abrechnung und Auszahlung verbliebener "Nettolöhne"
Leitsatz (redaktionell)
1. Rechtsqualität und Umfang einer Ausgleichsklausel sind durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
2. Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen, die nicht nur "alle wechselseitigen Ansprüche" sondern ausdrücklich auch "unbekannte" Ansprüche erfassen sollen, geben auf diese Weise zu erkennen, dass die Parteien an die Möglichkeit des Bestehens ihnen nicht bewusster Ansprüche gedacht und auch sie in den gewollten Ausgleich einbezogen haben; solche Vergleichsklauseln sind daher regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen.
3. Sollen wechselseitige Ansprüche "mit Erfüllung dieses Vergleichs" erledigt sein und gehören zur Erfüllung des Vergleichs auch die Verpflichtung der beklagten Arbeitgeberin, "das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich zugunsten des Klägers ergebenden Nettolöhne an diesen zur Auszahlung zu bringen", verpflichtet sich die Arbeitgeberin nicht nur zur Abrechnung und Auszahlung ausstehender Monatslöhne sondern zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zu seiner Beendigung, wozu auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung gehören, die dem Kläger nach § 7 Abs. 4 BUrlG aufgrund der im Vergleich vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehen.
4. Hat sich die Arbeitgeberin vergleichsweise nicht nur zur ordnungsgemäßen Abrechnung sondern auch dazu verpflichtet, den sich aus dieser Abrechnung zu Gunsten des Arbeitnehmers ergebenden "Nettolöhnen" auszuzahlen, sind mit diesem Ausdruck nicht nur die verbleibenden Monatslöhne Löhne im engeren Sinne gemeint; auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers ist Lohn im Sinne der vergleichsweisen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, wenn er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Arbeitsleistung als Ersatz für den nicht gewährten Urlaub entsteht.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 779, 781; BUrlG § 7 Abs. 4; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 28.01.2015; Aktenzeichen 1 Ca 860/14) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28. Januar 2015, Az. 1 Ca 860/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Urlaubsabgeltung.
Der 1968 geborene Kläger war seit dem 23.03.2011 bei der Beklagten als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von € 3.000,- beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 23.11. zum 31.12.2013 gekündigt, nachdem der Kläger mit dem von ihm geführten Rundholz-Lkw einen Unfall mit erheblichem Sachschaden verursacht hatte. Die Beklagte hatte sich vorbehalten, den Kläger in Regress zu nehmen, weil er deutlich zu schnell gefahren sei. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger, der seit dem Unfall am 11.11.2013 arbeitsunfähig erkrankt war, in einem vor dem Arbeitsgericht Trier geführten Kündigungsschutzrechtsstreit (Az. 4 Ca 1750/13). Außerdem verlangte er ein Zwischenzeugnis. In einem weiteren Rechtsstreit (Az. 4 Ca 1927/13) machte er die Zahlung der Löhne für November und Dezember 2013 iHv. jeweils € 3.000,-, eines Weihnachtsgeldes für 2013 iHv. € 3.000,- sowie restliches Weihnachtsgeld für 2011 und 2012 iHv. € 1.765,03 und € 2.401,93 (Differenz zu € 3.000,-) geltend.
Am 21.03.2014 stellte das Arbeitsgericht (Az. 4 Ca 1750/13) gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO das Zustandekommen folgenden Vergleichs fest:
"Vergleich
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen vom 22.11.2013 mit Ablauf des 31.12.2013 sein Ende gefunden hat.
2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich zugunsten des Klägers ergebenden Nettolöhne an diesen zur Auszahlung zu bringen.
Die Beklagte verzichtet insofern hinsichtlich der Löhne für die Monate November und Dezember 2013 ausdrücklich auf die Erhebung eines Zurückbehaltungsrechts oder die Erklärung einer Aufrechnung.
3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein ordentliches qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
4. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, gleich ob bekannt oder unbekannt erledigt, dies gilt auch für etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen den Kläger.
5. Damit ist der Rechtsstreit erledigt, ebenso erledigt ist der Rechtsstreit der Parteien zu Az. 4 Ca 1927/13 des Arbeitsgerichts Trier."
Mit der vorliegenden am 15.07.2014 erhobenen Klage verlangt der Kläger Urlaubsabgeltung für 8,5 Tage iHv. € 1.326,- brutto. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Den weiteren...