Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung, ordentliche. Sozialauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Sozialauswahl bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also der ausgeübten Tätigkeit.

Zur Frage der Möglichkeit der generellen Herausnahme schwerbehinderter Arbeitnehmer aus dem Kreis der in die Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer nach der seit 01.01.2004 geltenden Fassung von § 1 Abs. 3 KSchG.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 1 Abs. 3; SGB IX § 85

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 07.02.2005; Aktenzeichen 8 Ca 2824/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2005, Az.: 8 Ca 2824/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits.

Die am 21.03.1967 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 08.06.1988 bei der Beklagten, die in X mit über 600 Arbeitnehmern Wasserzähler, Wärmezähler und Kunststoffteile produziert sowie Dienstleistungen erbringt, als Prüferin in der Abteilung „Fertigung Wasserzähler” gegen eine monatliche Arbeitsvergütung in Höhe von 2.364,66 EUR brutto beschäftigt.

Am 23.06.2004 unterzeichneten die Beklagte und der bei ihr errichtete Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 40 ff.), wonach unter anderem Zug um Zug die bisher in X durchgeführte Produktion von Ringkolbenzählern nach W (V) ausgelagert und die Produktion von Ringkolbenzählern, welche die Beklagte bisher in U betrieb, nach X verlagert werden sollten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile für ausscheidende Mitarbeiter vereinbarten die Parteien den Sozialplan vom 23.06.2004 (Bl. 49 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 17.09.2004 (Bl. 73 d.A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgerecht zu kündigen. Der Betriebsrat gab hierzu am 27.09.2004 eine schriftliche Stellungnahme (Bl. 74 d.A.) ab.

Sodann kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.09.2004 (Bl. 10 d.A.) zum 31.03.2005.

Mit ihrer am 18.10.2004 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt.

Von einer erneuten Darstellung des erstinstanzlichen Sachvortrages wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2005 (dort S. 3 f. = Bl. 103 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2004 nicht beendet wird,
  2. im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiterin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 08.02.2005 (Bl. 101 ff. d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2004 nicht beendet wird; des Weiteren hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiterin weiterzubeschäftigen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei rechtsunwirksam, da die Beklagte bei der Auswahl der Klägerin soziale Gesichtspunkte im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt habe. So habe die Beklagte schwerbehinderte Menschen von vornherein aus der Sozialauswahl ausgenommen, allein um das nach § 85 SGB IX erforderliche Verwaltungsverfahren zu vermeiden. Des Weiteren entspreche das von der Beklagten der Sozialauswahl zugrundegelegte Punkteschema nicht dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), da es nicht als „sozial” angesehen werden könne, wenn ein Kind mit vier Punkten lediglich soviel „wert” sei wie zwei Jahre Berufstätigkeit.

Im Übrigen sei die Klägerin, der 54 Sozialpunkte zuerkannt worden seien, sozial schutzwürdiger als der nicht gekündigte Arbeitskollege T, der lediglich 47 Sozialpunkte aufweise. Berechtigte betriebliche Interessen für die Herausnahme des Herrn T aus der Sozialauswahl habe die Beklagte nicht in nachvollziehbarer Weise darzulegen vermocht. Weshalb die Klägerin nicht in der Lage sein solle, trotz ihrer bisherigen Tätigkeit als Prüferin, mechanische Messungen bei der Wareneingangskontrolle durchzuführen, sei nämlich nicht ersichtlich. Für die Bearbeitung von Speditions- und Frachtpapieren sei sie ebenfalls geeignet, da sie gelernte Bürokauffrau sei. Auch Buchungen im SAP System habe die Klägerin nach ihren Angaben bereits vorgenommen und einen Staplerführerschein könne sie an einem Tage erw...

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