Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Sozialauswahl, grob fehlerhafte. Kündigung und grob fehlerhafte Sozialauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Sozialauswahl erweist sich als grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG, wenn der Arbeitgeber einen sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl ausnimmt, ohne die Voraussetzungen für dessen Herausnahme darzulegen. In diesem Fall liegt eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl vor.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 12.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 2056/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 12.07.2005, Az. 5 Ca 2056/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Die am 25.04.1965 geborene, geschiedene Klägerin, die eine 18-jährige Tochter hat, ist seit dem 04.10.1995 bei der Beklagten, die mit ca. 460 Arbeitnehmern pharmazeutische Produkte herstellt, als Produktionsarbeiterin gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 1.552,00 EUR brutto beschäftigt.

Am 26.04.2004 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr errichteten Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 23 ff. d. A.), wonach 41 Arbeitsplätze wegen eines zu erwartenden Umsatzrückgangs abgebaut und hierbei auch betriebsbedingte Kündigungen erklärt werden sollten. Dem Interessenausgleich war als Anlage eine Namensliste der von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer beigefügt, in der unter anderem auch der Name der Klägerin enthalten ist.

Mit Schreiben vom 27.08.2004 (Bl. 35 ff. d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr errichteten Betriebsrat zu der gegenüber der Klägerin beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Nachdem der Betriebsart am 30.08.2004 seine Zustimmung schriftlich erklärt hatte (Bl. 36 d. A.) kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2004 (Bl. 9 d. A.) zum 30.11.2004.

Am 17.09.2004 ist die hiergegen gerichtete Kündigungsklage der Klägerin beim Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – eingegangen.

Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 12.07.2005 (dort S. 4 – 7 = Bl. 90 – 93 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 30.08.2004, zugegangen am 31.08.2004, nicht zum 30.11.2004 aufgelöst worden ist,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Produktionsarbeiterin weiterhin tatsächlich zu beschäftigen.

Das Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – hat mit Urteil vom 12.07.2005 (Bl. 87 ff. d. A.) der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, die ordentliche Kündigung vom 30.08.2004 sei wegen eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da die Beklagte eine Massenentlassung vorgenommen habe, ohne vorher eine entsprechende Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit zu machen. Da mithin dem Klageantrag zu 1. stattzugeben gewesen sei, sei die Beklagte unter Beachtung des Urteiles des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 darüber hinaus zur Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreites zu verurteilen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 7 ff. des Urteils vom 12.07.2005 (= Bl. 93 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 12.07.2005 zugestellt worden ist, hat am 09.11.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 16.11.2005 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend,

sie habe keine Massenentlassung im Sinne von § 17 KSchG vorgenommen, so dass auch keine Verpflichtung zu einer Anzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bestanden habe. Sie habe nämlich zum Ende des Monats September 2004 dreizehn Arbeitnehmer, zum Ende des Monats Oktober 2004 neun Arbeitnehmer, zum Ende des Monats November 2004 drei Arbeitnehmer, zum Ende des Monats Dezember 2004 fünf Arbeitnehmer, zum Ende des Monats Januar 2005 vier Arbeitnehmer, zum Ende des Monats Februar 2005 drei Arbeitnehmer und zum Ende des Monats März 2005 weitere drei Arbeitnehmer entlassen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes liege eine Entlassung im Sinne von § 17 KSchG erst zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses vor und nicht schon bei Erklärung der Kündigung. Soweit der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.01.2005 die gegenteilige Auffassung vertreten habe, wirke sich dies auf das vorliegende Arbeitsverhältnis zum ei...

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