Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung, Gleichbehandlung, Meinungsäußerungsfreiheit, Persönlichkeitsverletzung, Schmerzensgeld. Benachteiligung durch Nichtgewährung von Sonderprämien. unbegründeter Schmerzensgeldantrag wegen Schikanierung durch Tatsachenbehauptung des Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Dritte, auf die er Einfluss hat, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, als rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht oder als Gesundheitsverletzung zu gelten, und es daher gilt so genanntes folgenloses oder sozial- und rechtsadäquates Verhalten auf Grund einer objektiven Betrachtungsweise, d.h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen.
Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, und zwar auch dann wenn sie sich nachteilig auf die betroffene Person auswirken können. Nur ausnahmsweise überwiegen bei wahren Aussagen die Persönlichkeitsbelange. Im Fall von Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre trifft das nur auf Fälle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht zu, wenn etwa eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist. Zur Sozialsphäre zählt insbesondere das berufliche Wirken des Einzelnen.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos. Es wird durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis zu diesen gebracht werden. Dies gilt insbesondere, wenn beiderseits verfassungsrechtlich geschützte Positionen in Betracht kommen, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) oder das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Es bedarf einer Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, und zwar unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Voraussetzung jeder Abwägung ist dabei, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst wird.
"Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage. Zu beachten ist allerdings, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1-2, §§ 612a, 1004; ArbGG § 16 Abs. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 12; BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 280 Abs. 1, § 611 Abs. 1; AGG § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 22; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 261 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 18.10.2011; Aktenzeichen 8 Ca 2030/11) |
Tenor
Die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.10.2011, Az.: 8 Ca 2030/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Pflicht zur Sonderprämiengewährung, über Schmerzensgeld- und Entschädigungsansprüche sowie Unterlassungs- und Absicherungspflichten.
Die Klägerpartei ist produktionsmitarbeitende Arbeitnehmerin bei der Beklagten, die ein eigenständiges schuhproduzierendes (Wirtschafts-)Unternehmen mit Sitz in St. Katharinen betreibt. Sie ging 1996 aus der Y Schuhtechnik GmbH & Co KG sowie der Z Schuhtechnik GmbH hervor. Sie beschäftigt ca. 150 Mitarbeiter. Mit der S Schuhproduktion GmbH - nachfolgend Q - und der J Schuhproduktion GmbH - nachfolgend P - teilt sich die Beklagte Produktionshallen und Sozialeinrichtungen (wie Kantine, Toilette, Parkplätze). In Inhaberschaft der Familie Y, d.h. des Herrn Karl Y sowie seiner 3 Söhne (u.a. Christian und Stephan) gibt es mit Sitz in St. Katharinen, B-Stadt und Vettelschoß noch weiteren Kapitalgesellschaften. Die Herren Christian und Stephan Y sind a...