Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Reinigungskraft wegen Anspuckens einer Vorgesetzten

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Anspucken einer Vorgesetzten stellt einen zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses geeigneten Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar.

 

Normenkette

BGB § 626; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, § 529 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 17.01.2022; Aktenzeichen 2 Ca 1605/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - 2 Ca 1605/20 - vom 17. Januar 2022 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch die Beklagte und um die Weiterbeschäftigung, sowie Restvergütungs- und Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin.

Die bei Kündigungsausspruch 62-jährige, türkischstämmige Klägerin ist seit 13. August 2001 kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. Juli 2021 (Bl. 58 ff. d. A., im Folgenden: AV) bei der Beklagten im Autohof Z.-Stadt als Reinigungskraft zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 1.663,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß § 19 Abs. 2 AV kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie in seiner aktuellen Fassung, zuletzt vom 17. Dezember 2014 (im Folgenden: MTV Systemgastronomie) Anwendung. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer mit Ausnahme der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

Am 06. Oktober 2020 verwies die Vorgesetzte der Klägerin, die Zeugin Y., die Klägerin des Autohofes, da sie sie im Beisein der Zeugin X. angespuckt habe. Der Vorfall als solcher ist zwischen den Parteien umstritten. Da die Klägerin das Gelände trotz mehrfacher Aufforderung nicht verließ, informierte die Zeugin Y. die Polizei, die die Klägerin letztlich vom Betriebsgelände der Beklagten entfernte. Eine von der Beklagten wegen Hausfriedensbruchs gestellte Strafanzeige gegen die Klägerin wurde im Laufe des Verfahrens unter Verweis auf den Privatklageweg eingestellt.

Mit Schreiben vom 06. Oktober 2020, zugegangen am gleichen Tag, kündigte die Beklagte der Klägerin außerordentlich fristlos und vorsorglich fristgemäß. Die Beklagte zahlte der Klägerin für Oktober 2020 anteiligen Restlohn in Höhe von 600,00 EUR netto.

Die Klägerin hat am 26. Oktober 2020 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben, ihre Weiterbeschäftigung verlangt und die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung geltend gemacht. Im Verlauf des Rechtsstreits hat sie ihre Klage um Vergütungsansprüche vom 01. bis 06. Oktober 2020 und darüber hinaus gehende Annahmeverzugslohnansprüche bis einschließlich Mai 2021 eingeklagt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe niemanden angespuckt. Sie leide aufgrund ihrer durchlittenen Schilddrüsenkrebserkrankung unter einem Reiz im Rachenbereich, der manchmal dazu führe, dass sie sich die Nase putzen müsse. Anlässlich ihrer Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 17. Januar 2022 hat die Klägerin angegeben, am 06. Oktober 2020 sei ihr Sekret hochgekommen, weswegen sie normalerweise immer ein Taschentuch in ihrem Pullover habe. An diesem Tag habe sie kein Taschentuch gehabt. Sie sei deshalb an einen Tuchautomaten gegangen und habe sich ein Tuch gezogen. Sie sei sodann an den beiden Zeuginnen vorbeigegangen, habe das Tuch gefaltet und das Sekret in das Tuch gespuckt.

Infolge Säumnis der Klägerin hat das Arbeitsgericht am 08. November 2021 klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin erlassen. Gegen das am 12. November 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 18. November 2021 bei Gericht eingehendem Schriftsatz vom gleichen Tag Einspruch eingelegt und ihre Klage um Restvergütungs- bzw. Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate Oktober bis Dezember 2020 und Januar bis Mai 2021 erweitert.

Die Klägerin hat zuletzt unter Teilklagerücknahme im Übrigen beantragt,

das Versäumnisurteil vom 08. November 2021 aufzuheben und

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 06. Oktober 2020 aufgelöst wurde,
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen entsprechend des sachlichen Tätigkeitsbereiches des Arbeitsvertrages als Reinigungskraft weiter zu beschäftigen,
  3. die Beklagte zu verurteilten der Klägerin insgesamt EUR 13.304 Brutto Lohn für die Monate Oktober 2020, November 2020, Dezember 2020, Januar 2021, Februar 2021, März 2021, April 2021 und Mai 2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat zuletzt beantragt,

das Versäumnisurteil vom 08. November 2021 aufrechtzuerhalten und die Klageerweiterung vom 18. November 2021 hinsichtlich des nunmehrigen Klageantrages Ziffer 3 abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Klägerin habe am 06. Oktober 2...

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