Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch der Arbeitgeberin bei Verkehrsunfall eines alkoholisierten Berufskraftfahrers
Leitsatz (redaktionell)
1. Dass sich ein unter einer starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr an das Steuer seines Kraftfahrzeugs setzen darf und dass er in diesem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und das von ihm benutzte Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz erheblichen Alkoholgenusses stark heraufgesetzt ist; ein Autofahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen, was in besonderem Maße für einen Berufskraftfahrer gilt.
2. Ein Berufskraftfahrer verletzt in besonderem Maße die erforderliche Sorgfalt, wenn er mit einem 18 Meter langen voll beladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug (bestehend aus Lkw und Anhänger), der mit Eisenteilen und Paletten mit Weinflaschen beladen ist, unter 1,49 Promille Blutalkoholkonzentration auf der Autobahn fährt; ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille wird die absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet.
3. Allein das Wissen des Arbeitnehmers, Alkohol konsumiert zu haben und nicht mehr fahren zu dürfen, reicht nicht aus, den Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit zu bejahen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1 S. 1, § 241 Abs. 2, §§ 619a, 823 Abs. 2; EGBGB Art. 27 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Aktenzeichen 7 Ca 223/12) |
Tenor
1.
Auf die Berufung der Klägerin sowie auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach-, Az. 7 Ca 223/12 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
a)
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 12.753,08 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Januar 2012 zu zahlen.
b)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
c)
Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten € 2.340,01 brutto abzüglich € 1.433,32 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. November 2011 zu zahlen.
d)
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
4.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/2 und der Beklagte 1/2 zu tragen.
5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten und Widerklägers zur Leistung von Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall sowie über die Verpflichtung der Klägerin und Widerbeklagten zur Zahlung von Vergütung und Urlaubsabgeltung.
Der zum Zeitpunkt des Unfalls 52 Jahre alte Beklagte war seit dem 29. Januar 2007 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom gleichen Tag (Bl. 16 f. d. A.) bei der Klägerin als Kraftfahrer im Güterverkehr beschäftigt. Artikel 9 des "Arbeitsvertrags auf bestimmte Dauer" lautet:
"Für alle in diesem Vertrag nicht aufgeführten Bedingungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Dieser Vertrag unterliegt einzig und ausschließlich der luxemburgischen Gesetzgebung."
Das Bruttomonatsentgelt des Beklagten bei der Klägerin betrug ausweislich der Rechnung für den Monat September 2011 (Bl. 99 d. A.) zuletzt 2.364,40 € brutto.
Am 24. Oktober 2011 befuhr der Beklagte gegen 9.50 Uhr mit einem insgesamt 18 Meter langen, vollbeladen 40 Tonnen schweren Gliederzug Mercedes, bestehend aus Lkw und Anhänger, die BAB A3 Richtung P./L. Kurz nach der Anschlussstelle G., in Höhe D., kam der Beklagte mit dem Gliederzug alleinbeteiligt nach rechts von der Fahrbahn in den angrenzenden Grünstreifen ab. Diesen fuhr er über eine Länge von ca. 85 Meter entlang, bis der Lkw sich im losen Erdreich festgefahren hatte. Hierdurch stürzte der Anhänger des Gliederzuges komplett auf die linke Seite, wodurch der Anhänger so stark beschädigt wurde, dass der größte Teil der Ladung (10900 kg Weinflaschen auf Paletten) durch die zerstörte Stirnwand und das aufgerissene Dach des Anhängers auf die Fahrbahn fielen. Der Unfall wurde von der Verkehrspolizeiinspektion W., X., aufgenommen. Eine dem Beklagten um 11.32 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille. Zwischenzeitlich erhielt der Beklagte einen Strafbefehl des Amtsgerichts Kitzingen.
Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer fristlosen Kündigung der Klägerin am 25. Oktober 2011. Lohn für den Monat Oktober 2011 zahlte die Klägerin nicht an den Beklagten aus.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 (Bl. 30 f. d. A.) forderte die Klägerin den Beklagten zum Ersatz eines entstandenen Schadens in Höhe von 26.951,03 € auf. Ihre Ansprüche verfolgt sie mit der dem Beklagten am 30. März 2012 zugestellten Klage sowie der Klageerweiterung vom 31. Mai 2012 weiter.
Der Beklagte, der seine Tätigkeit für die Klägerin gewöhnlich in Deutschland aufnahm, wurde zwi...