Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl. Ermessensspielraum. Wertungsspielraum des Arbeitgebers. Unterhaltspflichten. Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte. Steuermerkmale

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber kann sich hinsichtlich der tatsächlich zu erbringenden Unterhaltsverpflichtungen nicht auf die Angaben und Steuermerkmale der Lohnsteuerkarte verlassen. Vor Durchführung einer Sozialauswahl ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer nach bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu befragen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 05.11.2001; Aktenzeichen 5 Ca 1317/01 KH)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 05.11.2001 – 5 Ca 1317/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Bezüglich des Tatbestandes wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil vom 05.11.2001 (Bl. 53 – 56 d.A.), ergänzt um das nachfolgend dargestellte Vorbringen in der Berufungsinstanz, gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

  1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17.07.2001 zum 30.09.2001 nicht beendet worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat durch Urteil vom 05.11.201 – 5 Ca 1317/01 – auf Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 17.07.2001 zum 30.09.2001 erkannt, weil ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorläge. Bezogen auf die Arbeitnehmerinnen W. und S. sei die Sozialauswahl ermessensfehlerhaft. Dem Familienstand und der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der geschiedenen Klägerin käme größeres Gewicht zu; das höhere Alter der Arbeitnehmerin W. im Vergleich zur Klägerin sei hinsichtlich der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ohne Bedeutung. Die Unterhaltspflichten der Klägerin wiegten schwerer als die längere Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmerin W.. Die gleichen Erwägungen würden auch hinsichtlich der Arbeitnehmerin S. gelten.

Gegen das der Beklagten am 14.11.2001 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 11.12.2001 eingelegte und am 11.01.2002 begründete Berufung.

Die Beklagte beanstandet zweitinstanzlich,

nach der Lohnsteuerkarte sei die Klägerin nur gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig. Der frühere Ehemann sei bei der Beklagten beschäftigt und zumindest für eines der Kinder unterhaltsverpflichtet. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 18.01.1990 – 2 AZR 357/89 –, in welcher ein Punktesystem bei der Sozialauswahl akzeptiert worden sei, fielen bei der Klägerin 41 Punkte, bei der Arbeitnehmerin W. die gleiche Punktzahl und bei der Mitarbeiterin S. sogar 44 Punkte an. Von daher könne von einer groben Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl nicht ausgegangen werden. § 10 KSchG könne der Rechtsgedanke entnommen werden, dass der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter eines Arbeitnehmers nach dem Sinne des Gesetzes eine gewisse Priorität einzuräumen sei. Die von der Klägerin angeführte Arbeitnehmerin N. sei einem Kind gegenüber und dem Ehemann unterhaltsverpflichtet und käme auf 49 Punkte. Im Übrigen habe der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich zugestimmt. Die derzeitige Beschäftigung sei eine Verlegenheitsbeschäftigung. Die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden, da nur bekannte Sozialdaten an den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung weitergegeben werden müssten.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich

Zurückweisung der Berufung

beantragt und ausgeführt,

in ihrem Haushalt lebten zwei noch in der Ausbildung befindliche Kinder, nämlich die am 29.08.1982 geborene Tochter und der am 31.10.1986 geborene Sohn. Entscheidend sei nicht die steuerliche Behandlung, sondern die gesetzliche Unterhaltspflicht. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten angeführten Punkteschema ergäben sich für sie – die Klägerin – 46 Punkte. Auch Frau N hätte in die Sozialauswahl miteinbezogen werden müssen. Außerdem seien dringende betriebliche Gründe nicht dargetan. Die seit Mitte August bis Ende September 2001 durchgeführte Tätigkeit des Anbringens von Schlüsselbuchsen und Schloßstangen an Schranktüren sei nach wie vor vorhanden. Außerdem stünde auch ein Arbeitsplatz in der Vorfertigung zur Verfügung. Die Anhörung des Betriebsrates würde mit Nichtwissen bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 11.01.2002 (Bl. 69 – 72 d.A.), sowie dessen spätere Ergänzung vom 01.03.2002 (Bl. 85 – 88 d.A.), hinsic...

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