Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwellenwerte für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Unbegründete Kündigungsschutzklage bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitnehmers zum arbeitgeberübergreifenden Kündigungsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Kündigungsrechtsstreit trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 23 Abs. 1 KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist darauf zu achten, dass vom Arbeitnehmer nicht Darlegungen verlangt werden, die er mangels eigener Kenntnismöglichkeiten nicht erbringen kann, so dass er bei fehlender eigener Kenntnismöglichkeit seiner Darlegungslast bereits durch die bloße Behauptung genügt, dass die Arbeitgeberin mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte.

2. Will sich der Arbeitnehmer auf die Maßgeblichkeit des abgesenkten Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen, genügt er seiner Darlegungslast regelmäßig zunächst dadurch, dass er schlüssige Anhaltspunkte für die Beschäftigung der erforderlichen Anzahl von “Alt-Arbeitnehmern„ aufzeigt. Auf entsprechenden Vortrag muss sich die Arbeitgeberin nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären und dartun, welche rechtserheblichen Tatsachen der Behauptung des Arbeitnehmers entgegenstehen sollen, woraufhin erneut der Arbeitnehmer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat, dass der abgesenkte Wert maßgeblich ist.

3. Die ausnahmsweise Annahme eines arbeitgeberübergreifenden Kündigungsschutzes kommt nur in Betracht, wenn sich zwei oder mehrere Unternehmen zumindest konkludent zur gemeinsamen Führung eines Betriebs rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Die pauschale Behauptung des Arbeitnehmers, dass die Arbeitgeberin ihren Betrieb arbeitnehmerübergreifend mit institutioneller Leitung in sozialen und personellen Angelegenheiten durch personenidentische Geschäftsführer organisiert, reicht dazu nicht aus.

4. Allein die Tatsache, dass die Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften personengleich sind, rechtfertigt nicht den zwingenden Schluss einer einheitlichen Ausübung der Rechte des Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten. Auch der Umstand, dass ein Grundstück der Arbeitgeberin ein wesentliches gemeinsam genutztes Betriebsmittel für die Gesellschaften darstellt, lässt nicht auf einen gemeinsamen Betrieb schließen, da in der Zur-Verfügung-Stellung des Grundstückes durch die Beklagte eine gemeinsame Nutzung nicht liegt.

5. Ein kündigungsschutzrechtlicher “Berechnungsdurchgriff im Konzern„ ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

 

Normenkette

KSchG § 23 Abs. 1 S. 2; ZPO § 138 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 18.03.2015; Aktenzeichen 6 Ca 604/14 P)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18. März 2015 - 6 Ca 604/14 P - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der 1966 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat zum 01. Juni 1992 als Auszubildender in die Dienste der R Schuhzentrum GmbH. Ab 01. November 1998 wurde der Kläger aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24. November 1998 (Bl. 23 ff. d. A., im Folgenden: AV 1998) für die Beklagte, damals firmierend unter R Versandhandel GmbH, als Bereichsleiter Warenkoordination Vertrieb tätig. Vom 01. Juli 2004 bis 28. Februar 2007 arbeitete der Kläger kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16. Juli 2004 als Verkaufsleiter erneut für die R Schuhzentrum GmbH (Bl. 12 ff. d. A., im Folgenden: AV Schuh 2004). Der AV 1998 mit der Beklagten wurde weder gekündigt, noch durch schriftliche Vereinbarung aufgehoben. Der Kläger wurde in der Folge kraft Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 16. März 2007 (Bl. 32 ff. d. A., im Folgenden: GF-V Schuh 2007) ab 01. März 2007 für die R Schuhzentrum GmbH als eingetragener Geschäftsführer der Gesellschaft tätig. Eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über die Beendigung des zuvor mit der R Schuh GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisses oder dessen Kündigung erfolgte nicht. Zum 01. September 2011 wurde das gesamte Geschäft der R Schuh GmbH im Wege des Betriebsübergangs auf die R Schuh GmbH übertragen.

Ab 01. Januar 2008 arbeitete der Kläger als eingetragener Geschäftsführer für die zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörende H R Group Verwaltungs GmbH, zuletzt nach Verschmelzung firmierend unter H R Group GmbH. Dieser Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers wurde zum 31. Dezember 2015 gekündigt.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 darauf hin, dass sie den AV 1998 durch die in der Folge abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsverträge für aufgehoben halte, kündigte jedoch gleichzeitig vorsorglich das ...

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