Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit um die Zahlung von Zielvereinbarungsprämien. Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Bei Prämienansprüchen handelt es sich nicht um Masseforderungen i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Unter Masseverbindlichkeiten sind hiernach alle Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen zu verstehen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung zu erfolgen hat. Die Einordnung eines Entgeltanspruchs als Masseverbindlichkeit hat zur Voraussetzung, dass eine Leistung mit Entgeltcharakter vorliegt und der geltend gemachte Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entstanden ist.
Normenkette
InsO § 108 Abs. 3, §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 20.07.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1372/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 20.07.2022 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein, Az. 1 Ca 1371/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Zielvereinbarungsprämien.
Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.09.2007 bis 31.03.2021 beschäftigt, seit 01.11.2018 als Projektmanager Vertrieb zu einer vertraglich vereinbarten Bruttomonatsvergütung von 7.500,00 €. In seinem Arbeitsvertrag heißt es zudem unter § 4 (Vergütung):
"Des Weiteren erhält der Arbeitnehmer eine jährliche Zielvereinbarungsprämie in Höhe von 20.000,00 € brutto (bei 100 % Zielerreichung). Die Zielvereinbarung wird gesondert, je Geschäftsjahr, vereinbart und ist in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil dieses Vertrages."
Das Geschäftsjahr der Beklagten läuft gem. Ziffer 3 ihres Gesellschaftsvertrags jeweils vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres. Für das Geschäftsjahr 2019/20 schlossen die Parteien am 16.12.2019 eine Zielvereinbarung unter Auflistung verschiedener Unternehmensziele der Beklagten sowie mehrerer persönlicher Ziele des Klägers. Für den Fall der Zielerreichung wurde eine Prämie von 20.080,00 € vereinbart. Entsprechendes geschah für das Geschäftsjahr 2020/21 durch Zielvereinbarung vom 03.11.2020, die als für den Kläger maximal erreichbare Prämie einen Betrag von 22.600,00 € auswies. Am 10.09.2020 wurde dem Kläger von der Beklagten für das abgelaufene Geschäftsjahr 2019/20 volle Zielerreichung bestätigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein wurde am 18.12.2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet, Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 1 InsO angeordnet und ein Sachwalter ernannt. Nach § 4 des Beschlusses verblieb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der Beklagten, ihr Geschäftsführer war berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, jedoch nur zu dem Zweck, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen. Im November 2021 rechnete die Beklagte für den Kläger eine anteilige Zielvereinbarungsprämie für den Zeitraum 18.12.2020 - 31.03.2021 ab in Höhe von 5.428,67 € brutto und brachte den sich daraus ergebenden Nettobetrag von 4.819,67 € an ihn im November 2021 zur Auszahlung. Weitere Zahlungen auf seine Zielvereinbarungsprämienansprüche lehnte sie ab unter Verweis darauf, bei diesen handle es sich um Insolvenzforderungen, die er wie andere Gläubiger auch zur Tabelle anmelden müsse.
Der Kläger hat erstinstanzlich die vollständige Auszahlung beider Zielvereinbarungsprämien verlangt. Zur Begründung hat er vorgetragen, im Geschäftsjahr 2019/20 die vereinbarten Ziele erreicht und dies von der Beklagten am 10.09.2020 auch bestätigt bekommen zu haben. Für das Geschäftsjahr 2020/21 stehe ihm die Prämie angesichts seines Ausscheidens im laufenden Geschäftsjahr nur anteilig für die Zeit vom 01.07.2020 - 31.03.2021 zu. Bezüglich der vollständig erreichten Ziele der Beklagten ergebe sich insoweit ein Betrag von (6.000: 12 x 9 =) 4.500,00 €, aus der Erreichung seiner persönlichen Ziele ein Betrag von 13.160,00 € (wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Bl. 6 ff., 57 d. A. verwiesen). Sämtliche erreichbaren und persönlichen Ziele seien vor seinem Ausscheiden, aber nach Insolvenzeröffnung erreicht worden. Für beide Geschäftsjahre könne er Prämienauszahlung in voller Höhe verlangen, da es sich nicht um Insolvenzforderungen, sondern um Masseverbindlichkeiten iSv § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO handle. Die Prämie vergüte besondere, zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen, deren Erfüllung erst nach Ablauf des Geschäftsjahres festgestellt werden könne. Solche stichtags-/anlassbezogenen Sonderzuwendungen seinen insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, in den der Stichtag falle. Dies sei hier der Zeitraum nach Insolvenzeröffnung. Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO sei es, dem Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung voll zur Masse erbringe, auch seine Gegenleistung zu sichern und nicht die Masse auf seine Kosten zu bereichern. Er habe seine zur Prämienberechtigung führenden Arbeitsleist...