Entscheidungsstichwort (Thema)
"Incentive-Bonus" als Insolvenzforderung. Arbeitsentgelt [“Incentive-Bonus"]. Entgeltcharakter. Feststellung im darauffolgenden Geschäftsjahr. Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. "Incentive-Bonus" war als monatlich entstehender Vergütungsbestandteil und so als Insolvenzforderung einzuordnen, womit Klage auf den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Anteil zu Recht als unbegründet abgewiesen worden war.
2. a) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bleibt das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Masse bestehen.
b) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis werden nach § 108 Abs. 2 InsO Insolvenzforderungen, wenn es sich um solche “für„ die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt.
c) Nur “soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung erfolgen muss„, sind sie gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseforderungen, wobei die Erfüllung durch den Gläubiger, nicht durch den Insolvenzschuldner gemeint ist.
3. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist zwar als Leistung mit Entgeltcharakter anzusehen, da er an die Stelle des Bonusanspruch treten soll, der mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Fixum und mit den übrigen dort genannten Leistungen die vom Kläger im Jahr erbrachte Arbeit zu vergüten bestimmt war und so zumindest teilweise im Synallagma stand; gleichwohl ist er hinsichtlich des hier relevanten Zeitraums keine Masseforderung, da er die Gegenleistung für die im Verlauf des jeweiligen (Geschäfts-) Jahres erbrachte Arbeit darstellt, mithin kontinuierlich entstanden und daher einzelnen Zeitabschnitten des Jahres anteilig zuzuordnen ist.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 108 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 23.03.2011; Aktenzeichen 31 Ca 5616/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 23.03.2011 - Az.: 31 Ca 5616/10 - wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 89/100, der Beklagte 11/100.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - noch - um die (anteilige) Zahlung eines Leistungsbonus ("Incentive Bonus") für das Geschäftsjahr 2009 aus der Insolvenzmasse.
Der Kläger war zunächst gemäß Arbeitsvertrag vom 28.10./29.12.2003 (vgl. Anlage K 1; Bl. 7 ff. d. A.) bei der I. angestellt. Nach Betriebsübergang im Zuge der Ausgliederung des Geschäftsbereichs Speicherprodukte (vgl. hierzu Anlage K 2; Bl. 12 ff. d. A.) war er bei der Q. (im Folgenden: "Insolvenzschuldnerin") zuletzt im Finanzbereich als leitender Angestellter und Head of Finance Treasury beschäftigt. Er gehörte zum obersten Führungskreis und unterstand nur dem Vorstand. Zum Fixgehalt von € ... brutto pro Jahr wurde bei einer Zielerreichung von 100 % zusätzlich ein Leistungsbonus von € ... brutto pro Jahr bezahlt. Nach dem Arbeitsvertrag (Anlage K 1) richteten sich die Einzelheiten des Leistungsbonus nach den jeweils geltenden Richtlinien. Bei der I. existierte eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur variablen Vergütung im übertariflichen Bereich (in der Fassung des ersten Nachtrags vom 28.06.2006); auf die Anlage K 10 (Bl. 266 ff. d. A.) wird verwiesen.
Bei der Insolvenzschuldnerin bestand eine Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich; auf die Anlage B 18 (Bl. 101 ff. d. A.) wird wegen ihres Inhalts Bezug genommen.
Für das Geschäftjahr 2009 (vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2009) vereinbarte die Insolvenzschuldnerin keine Ziele mit dem Kläger.
Mit Aufhebungsvertrag vom 21.01.2009 (vgl. Anlage zum Protokoll vom 09.03.2011; Bl. 336 ff. d. A.) wurde das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2009 beendet. Gleichzeitig wurde unter Nr. 8 des Vertrages vereinbart, dass der Kläger ab 01.04.2009 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt werde. Unter Nr. 9 des Vertrages wurde geregelt, dass der Bonus für das Geschäftsjahr 2007/2008 und der Bonus "Project Incentive 2007/2008" zum Abrechnungstermin im Februar 2009 ausbezahlt werden. Nach Nr. 12 des Aufhebungsvertrages sollten sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, aus seiner Beendigung und für die Zeit nach der Beendigung erledigt und abgegolten sein.
Am 23.01.2009 stellte die Insolvenzschuldnerin Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Am selben Tag wurde der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 01.04.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet. Die Insolvenzschuldnerin war bereits in den Jahren 2007 und 2008 zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Der Beklagte zahlte an den Kläger für die Zeit von 01.04.2009 bis zum 31.07.2009 monatlich den Incentive Bonus zeitanteilig an den Kläger aus. Für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 31.03.2009 erfolgte keine (anteilige) Zahlung dieses Leistungsbonus an den Kläger.
Mit seiner Klage vom 29.04.2010, am Folgetag beim Arbeitsgericht München eingegangen und dem Beklagten am 18.05.2010 zugestellt, beg...