Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfähigkeit, vorgetäuschte. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Arbeitsverweigerung. Beleidigung. Berufungsbegründung. Beweiswert. Ehrverletzung. Grund, wichtiger. Klagehäufung. Kündigung, außerordentliche. Persönlichkeitsrecht, allgemeines. Pflichtverletzung. üble Nachrede. Arbeitsverweigerung und Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn im arbeitsgerichtlichen Urteil im Wege der objektiven Klagehäufung über mehrere Ansprüche entschieden worden ist, dann muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich mit jedem einzelnen Antrag, der in das Berufungsverfahren gelangen soll, argumentativ auseinandersetzen.
2. Ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen im vertraulichen Gespräch unter Arbeitskollegen können nach den Umständen des Einzelfalles eine Kündigung im Grundsatz deswegen nicht rechtfertigen, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG den Schutz der vertraulichen Kommunikation innerhalb der Privatsphäre als Ausdruck der Persönlichkeit gebietet.
3. Weigert sich der Arbeitnehmer eine ihm im Wege der rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Fall der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigen, wobei die beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraussetzt.
4. Bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss der Arbeitgeber begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung aufzeigen und dadurch ihren Beweiswert erschüttern.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; GG Art. 1-2, 5 Abs. 1-2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2173/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. März 2009 – 3 Ca 2173/08 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, Vergütungsansprüche für den Monat September 2008 und Urlaubsabgeltungsansprüche.
Die Klägerin war seit dem 21.06.2007 bei dem Beklagten in dessen Steuerberatungsbüro als Steuerfachangestellte zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.900,00 Euro beschäftigt. Aus dem Arbeitsvertrag stand ihr ein jährlicher Urlaubsanspruch von 27 Urlaubstagen zu. Im Jahr 2008 wurden ihr 9,5 Urlaubstage gewährt.
Am 01.09.2008 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2008. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der Beklagte neben der Klägerin noch die Mitarbeiterinnen P. und St.. Frau St. war vom 01.09.2008 bis zum 06.10.2008 arbeitsunfähig erkrankt und nahm im Anschluss Urlaub bis zum Beginn ihres Mutterschutzzeitraumes am 24.10.2008. Außerdem beschäftigte der Beklagte seit dem 18.08.2008 eine Auszubildende, Frau K.. Frau K. hatte zuvor am 08.08.2008 im Steuerberatungsbüro des Beklagten einen Probearbeitstag absolviert gehabt.
Am Morgen des 02.09.2008 legte die Klägerin dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Mitarbeiterin St. auf seinen Schreibtisch. Auf Nachfrage des um 08:30 Uhr im Büro erschienenen Beklagten erklärte die Klägerin, sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Briefkasten entnommen. Daraufhin kam es zwischen den Parteien zu einem Streitgespräch, in dessen Verlauf der Beklagte die Richtigkeit dieser Behauptung bezweifelte und die Vermutung äußerte, Frau St. habe der mit ihr befreundeten Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mitgegeben. Der Beklagte wies die Klägerin dann an, eine Liste ihrer regelmäßigen Aufgaben zu erstellen. Nachdem die Klägerin dieser Anweisung nachgekommen war, forderte der Beklagte sie auf, für ein Gespräch mit ihm in seinem Arbeitszimmer Platz zu nehmen. Die Klägerin verweigerte dies mit dem Hinweis, es sei ihr schlecht und sie gehe deswegen jetzt zum Arzt. Nachdem sie die Büroschlüssel auf einem Bürotisch hinterlassen hatte, verließ die Klägerin das Steuerberatungsbüro des Beklagten. In der Folgezeit reichte die Klägerin für den Zeitraum vom 02.09.2008 bis zum 30.09.2008 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.
Mit Schreiben vom 02.09.2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er werte ihre Weigerung für ein Gespräch in seinem Arbeitszimmer zu bleiben und das Hinterlassen der Schlüssel auf seinem Tisch als fristlose Kündigung der Klägerin, die er hiermit akzeptiere. Gleichzeitig erteilte er der Klägerin ein Hausverbot. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 08.09.2008 wies die Klägerin darauf hin, eine fristlose Kündigung sei ihrerseits nicht ausgesprochen worden.
Mit Schreiben vom 11.09.2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die der Klägerin erteilte Entgeltabrechung für den Monat September 2008 benannte als Austrittsdatum den 01.09.2008 und wies 63,33 Euro Gehalt und 779,11 Euro Urlaubs...