Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Arbeitnehmerklage auf Widerruf und Unterlassung von Äußerungen bei fehlendem Fortbestand der Beeinträchtigung und fehlender Wiederholungsgefahr
Leitsatz (redaktionell)
1. Ehrkränkende oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzende Äußerungen begründen einen quasi-negatorischen Widerrufsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 und 2 BGB und §§ 185, 186 StGB, wenn ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB oder ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB rechtswidrig verletzt worden ist und die Beeinträchtigung durch die Rechtsgutverletzung fortdauert und damit ein fortdauernder Störungszustand besteht, der sich für den Verletzten als eine stetig neu fließende Quelle der Schädigung und der Ehrverletzung darstellt, und der Widerruf notwendig und geeignet ist, den Störungszustand zu beseitigen.
2. Ein Anspruch auf Widerruf einer Äußerung erfordert insbesondere auch die positive Feststellung der Unwahrheit der geäußerten Tatsache, da andernfalls der Äußernde, der die Wahrheit seiner Äußerung nicht beweisen kann, im Wege der Zwangsvollstreckung gezwungen werden könnte, eine potentiell unrichtige Erklärung abzugeben; anders als bei einem Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, bei dessen Prüfung die Beweislastregeln des § 186 StGB auf den zivilrechtlichen Anspruch übertragen werden, muss der Anspruchsteller eines Widerrufsanspruchs grundsätzlich die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung als anspruchsbegründende Tatsache darlegen und beweisen.
3. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Unterlassen von Äußerungen nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 und 2 BGB decken sich weitgehend mit denen eines Widerrufsanspruchs; im Gegensatz zu einem Anspruch auf Widerruf ist es jedoch im Rahmen eines Anspruchs auf Unterlassen für die Rechtswidrigkeit einer Verletzung durch Tatsachenäußerung ausreichend, dass diese nicht erweislich wahr ist, der Äußernde also ihre Wahrheit nicht beweisen kann, und es statt auf das Fortdauern einer Beeinträchtigung durch die Tatsachenbehauptung darauf ankommt, ob eine Wiederholung der Äußerung droht.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 1004 Abs. 1 S. 1; StGB §§ 185-186
Verfahrensgang
AG Mainz (Entscheidung vom 18.10.2012; Aktenzeichen 5 Ca 82/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 18.10.2012 Az.: 5 Ca 82/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Widerruf und Unterlassung strittiger Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten und um Ansprüche auf Unterlassung bestimmter Organisationsentscheidungen hinsichtlich des Einsatzes des Vorgesetzten und eines Kollegen des Klägers.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Administrator in der IT-Abteilung beschäftigt und gewählter Vertreter der Schwerbehinderten im Betrieb. Er ist seit dem 8.3.2013 rückwirkend zum 26.6.2012 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 anerkannt. Sein Vorgesetzter, Herr S, ist kaufmännischer Leiter und Leiter der IT-Abteilung sowie Prokurist der Beklagten. Die Beklagte ist ein im Bereich der Lagertechnik weltweit tätiges Unternehmen und beschäftigt ca. 700 Mitarbeiter. Die IT-Abteilung umfasst ca. 7 Mitarbeiter. IT-Aufgaben, die die eigene IT-Abteilung nicht bewältigen kann, lässt die Beklagte von dem IT-Dienstleistungsunternehmen U I GmbH erbringen.
Im Mai 2011 ließ die Beklagte durch die damaligen Mitarbeiter der Firma U, Herrn C und Herrn L, die E-Mail-Kommunikation des Unternehmens auf unberechtigte Zugriffe des Klägers auf die Postfächer von Führungskräften prüfen. Herr C und Herr L stellten ihre Ergebnisse in einem Untersuchungsbericht mit dem Titel "Untersuchung des Verdachts von Industriespionage im Bereich der Email Kommunikation bei C." am 19.05.2011 und am 25.05.2011 vor, in welchen der Verdacht geäußert wurde, der Kläger habe unberechtigt Zugriff auf diverse Postfächer seines Vorgesetzten, Herrn S, und weiterer Personen genommen. Die Beklagte nahm das Ergebnis zum Anlass, am 25.05.2011 die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Klägers zu beantragen und ihm seine Zugriffsberechtigungen als Administrator zu entziehen. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte, beantragte die Beklagte die Ersetzung der Zustimmung vor dem Arbeitsgericht Mainz -Ausw. Kammern Bad Kreuznach- (Az. 6 BV 12/11). Am 14.07.2011 ersuchte die Beklagte den Betriebsrat erneut zur Zustimmung zu einer weiteren außerordentlichen Kündigung des Klägers. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung erneut verweigert hatte, beantragte die Beklagte auch zu dieser Kündigung die Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht (Az. 6 BV 22/11).
Ebenfalls am 14.07.2011 fand bei der Beklagten eine Führungskräfteversammlung statt, bei welcher auch das Thema Industriespionage und Datendiebstahl angespro...