Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen notorisch verspäteter Arbeitsaufnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es stellt eine beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht dar, wenn ein Arbeitnehmer trotz wiederholter Ermahnungen und insgesamt dreier Abmahnungen, die Arbeit entsprechend einer bestehenden Betriebsvereinbarung um 7 Uhr aufzunehmen, verspätet mit der Arbeit beginnt. Eine solche beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht ist an sich als wichtiger Grund zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses geeignet.

2. Im Rahmen der alsdann anzustellenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer wegen dessen persönlicher Situation vorübergehend einen späteren Arbeitsbeginn zugebilligt hatte und ihn aufgrund mehrerer Ermahnungen und Abmahnungen um pünktlichen Arbeitsantritt angehalten hat, bevor sie sich zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung entschloss. Jedoch ist der Arbeitgeberin ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten, wenn die Arbeit jeweils nur wenige Minuten verspätet angetreten wurde und der Arbeitnehmer die versäumte Zeit nachgearbeitet hat.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 24.03.2016; Aktenzeichen 6 Ca 643/15)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24.03.2016 - 6 Ca 643/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16.11.2015 nicht aufgelöst ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.05.2016 fortbestanden hat.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der 1969 geborene Kläger war seit 10. November 1997 bei der Beklagten als Prüfer in der Qualitätskontrolle gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 3.570,00 € beschäftigt.

Hierbei musste er Versandlisten (Coli-Listen) erstellen und kontrollieren. In diesen Listen werden, von Kunde zu Kunde unterschiedlich, die später vom Versand zu bearbeitenden Teile für den Kran aufgeführt. Die eingescannte Liste geht dann an den Versand. Der Versand wird von einer Fremdfirma, der Verpackungsfirma Z besetzt, deren Mitarbeiter von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr im Betrieb der Beklagten tätig sind. Der zuständige Versandmitarbeiter prüft die zu versendenden Teile mit der Liste ab und belädt dementsprechend die Lkws, die von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr kommen können.

Der Kläger war nach der für ihn geltenden Betriebsvereinbarung "Lage und Verteilung der Arbeitszeit für das Werk Y" vom 26. September 1995 im Einschichtbetrieb eingesetzt und hatte danach seine Arbeit um 7.00 Uhr aufzunehmen (Anlage 2 zur Betriebsvereinbarung vom 26. September 1995, Bl. 37 d. A.). Eine Gleitzeitregelung existierte für ihn nicht.

Der Kläger war im Jahr 2013 psychisch angeschlagen und ab 03. Juni 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeitsphase wurde eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit flexiblen Arbeitszeiten, beginnend ab dem 24. Februar 2014 durchgeführt. Diese war zunächst bis 21. April 2014 befristet und wurde dann bis zum 04. Mai 2014 verlängert. Nach dieser Wiedereingliederung wurde für den Kläger auch im Hinblick darauf, dass sein Vater pflegebedürftig war und er um etwas mehr Zeit bei der Beklagten bat, am 24. Juni 2014 der Arbeitsbeginn einvernehmlich auf 8.00 Uhr gelegt.

In der Folgezeit nahm der Kläger wiederholt die Arbeit erst nach 8.00 Uhr auf und wurde deswegen am 02. Juli 2015 von Herrn Wagner nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr ist. Als der Kläger in der Folgezeit seine Tätigkeit nicht rechtzeitig aufnahm, wurde er von der Beklagten am 25. August 2015 nochmals per Mail aufgefordert, seine Arbeit um 8.00 Uhr aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 15. September 2015 (Bl. 42 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Nichteinhaltung des festgelegten Arbeitsbeginns um 8.00 Uhr. Anlässlich der Übergabe dieser Abmahnung am 17. September 2015 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er ab 18. September 2015 wieder gemäß der Betriebsvereinbarung vom 26. September 1995 pünktlich um 7.00 Uhr die Arbeit aufzunehmen hat. Zu diesem Zeitpunkt war der persönliche Grund für die spätere Arbeitsaufnahme um 8.00 Uhr aufgrund des Monate zuvor eingetretenen Todes des Vaters des Klägers weggefallen.

Am 21. September 2015 nahm der Kläger seine Tätigkeit erst um 8.22 Uhr auf, woraufhin er mit Schreiben vom 21. September 2015 (Bl. 48 d. A.) abgemahnt wur...

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