Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen Verbreitung von angeblich unwahren Äußerungen über einen Vorgesetzten
Leitsatz (redaktionell)
Die Wiedergabe einer gegebenenfalls unzutreffenden Mitteilung eines anderen Auszubildenden über eine herabwürdigende Äußerung eines Vorgesetzten ist jedenfalls nicht als eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung zu bewerten, dass sie ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses rechtfertigt.
Normenkette
ArbGG § 111 Abs. 2; BBiG § 22 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3; ZPO §§ 259, 929 Abs. 2, § 936
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 19.01.2017; Aktenzeichen 7 Ga 51/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. Januar 2017 - 7 Ga 51/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, an den Verfügungskläger 809,97 EUR netto zu zahlen.
- Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, dem Verfügungskläger für die Zeiträume vom 06. Februar bis 24. Februar 2017 und vom 06. März bis 24. März 2017 im Internat der P.-Schule in K-Stadt einen Platz zu buchen sowie die dazu erforderliche Kostenübernahmeerklärung abzugeben.
- Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden, die dafür erforderlichen Unterlagen auszufüllen und abzuschicken, sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben.
- Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Verfügungskläger zu 5/6 und der Verfügungsbeklagte zu 1/6.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Verfügungskläger zu 4/5 und der Verfügungsbeklagte zu 1/5.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob der Verfügungskläger im Wege der einstweiligen Verfügung vom Verfügungsbeklagten die Zahlung von Ausbildungsvergütung und die Anmeldung zu einem Internat und einer Zusatzprüfung einschließlich einer entsprechenden Kostenübernahmeerklärung verlangen kann.
Der 1996 geborene Verfügungskläger nahm aufgrund Berufsausbildungsvertrags vom 20. Februar 2014 (Bl. 5 d. A.) zum 01. August 2014 beim Verfügungsbeklagten, der in H-Stadt das Hotel-Restaurant "Z." betreibt, eine Ausbildung zum Koch auf. In dem für die Zeit vom 01. August 2014 bis 31. Juli 2017 geschlossenen Berufsausbildungsvertrag der Parteien ist als für den Ausbildungsberuf zuständige Berufsschule die P.-Schule in K-Stadt festgelegt, die vom Verfügungskläger im Rahmen seiner Ausbildung nach dem sog. "FHG-Modell" jeweils in Berufsschulblöcken besucht wird. Die Ausbildungsvergütung beträgt nach dem Berufsausbildungsvertrag der Parteien 825,00 EUR brutto im 3. Ausbildungsjahr.
Unter dem 02. November 2016 übersandte der Verfügungskläger dem Verfügungsbeklagten folgendes Schreiben (Bl. 6 d. A.):
"Hallo Chef,
beigefügt sende ich Ihnen meine Krankmeldung. Montag und Dienstag war die Arztpraxis geschlossen.
Aber es gibt noch etwas anderes zu klären. Als X. am Sonntag von meiner Krankmeldung erfahren hat, hat er gesagt, dass mir folgendes mitgeteilt werden soll: "Der soll verrecken, das Arschloch. Der kann seine Messer und Kochjacken holen. Der braucht nicht mehr kommen."
Am Montag wurde mir mitgeteilt, dass X. wiederholt hat, dass er mich rausschmeißen will und ich nicht mehr kommen brauche. Später sagte er: "Den schicke ich für eine Woche in Urlaub. Aber ich mache es wie mit der M.. Ich lasse ihn am Donnerstag kommen und teile ihm dann mit, dass er Urlaub hat."
Das hat er schon einmal getan. Als ich aus meinem letzten Urlaub zurück kam, hat mir X. ebenfalls mitgeteilt, dass mein Urlaub sich verlängert hat.
Da X. mir in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht hat, kann und werde ich dieses erbärmliche und bösartige Verhalten jetzt nicht mehr länger tolerieren.
Ich habe mich niemals darüber beschwert, jeden Tag 12 - 14 Stunden zu arbeiten oder immer wieder mal die Mittagspause durcharbeiten zu müssen. Ich habe auch schon manches Mal gearbeitet, obwohl bekannt war, dass ich krank war. Das habe ich getan, weil mir der Beruf des Kochs Spaß macht und ich meine Kollegen nicht im Stich lassen wollte.
Wenn ich aber zuhause bleibe, weil es mir wirklich dreckig geht und ich mich über Nacht mehrfach übergeben muss und dann nach meiner Krankmeldung vom Küchenchef aufs Übelste beschimpft werde, ist das nicht nur absolut asozial, sondern es nimmt engagierten Mitarbeitern jeglichen Spaß an der Arbeit.
Deshalb bitte ich Sie, X. sehr deutlich klarzumachen, dass ich mir zukünftig solche Unverschämtheiten nicht mehr gefallen lassen werde und er das zukünftig zu unterlassen hat. Weiter erwarte ich, dass X. sich vor allen Beteiligten bei mir für seine Äußerungen zu entschuldigen hat.
(...)"
Weiterhin wandte sich der Vater des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 06. November 2016 (Bl. 7, 8 ...