Entscheidungsstichwort (Thema)
Internet. Internetnutzung, private. Kündigung, fristlose
Leitsatz (amtlich)
1. Die ausdrücklich verbotene private Internetnutzung in erheblichem Umfang kann eine fristlose Kündigung an sich auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
2. Der mehr als 30-jährige beanstandungsfreie Bestand des Arbeitsverhältnisses kann zum Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch dann führen, wenn er pornografische Seiten aufgerufen hat.
3. Zur Bedeutung des möglichen Ansehensverlust des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit im Rahmen der Interessenabwägung.
Normenkette
BAT §§ 54-55; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 8 Ca 1923/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.11.2004 – 8 Ca 1923/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 29.06.2004.
Der am 08.08.1951 geborene Kläger ist seit dem 10.07.1972 bei der Beklagten beschäftigt. Er hat zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.047,00 Euro erhalten. Der Kläger ist verheiratet und hat ein unterhaltspflichtiges Kind. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT Anwendung.
Dem Kläger steht an seinem Arbeitsplatz ein PC mit Internetzugang zur Verfügung. Der Internetzugang darf nach ZDv 54/100 (Nr. 323) nicht zu privaten Zwecken genutzt werden. Auf diese Regelung weist die Beklagte alle Internetnutzer in regelmäßigen Abständen von 2 Jahren hin. Der Kläger hat die Kenntnisnahme zuletzt im Dezember 2003 mit seiner Unterschrift bestätigt. Diese Sicherheitsbelehrung enthält auch einen ausdrücklichen Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle des Verstoßes.
Am 13.05.2004 wurde der PC des Klägers beschlagnahmt. Am 14.05.2005 wurde der Präsident darüber informiert, dass von dem PC des Klägers aus am 11.05.2004 eine Internetseite aufgerufen worden war, auf der Sex mit Tieren dargestellt wird. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften eingeleitet, das zwischenzeitlich eingestellt wurde.
Am 04. und am 07.06.2004 wurde der Kläger angehört. Mit Schreiben vom 07.06.2004 wurde der Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 09.06.2004 (Blatt 88 d.A.) teilte der Personalrat mit, dass er der außerordentlichen Kündigung des Klägers nicht zustimme. Am 09.06.2004 übermittelte der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter an die Beklagte. Mit Bescheid vom 20.09.2004 (Blatt 82 d.A.) wurde ein Grad der Behinderung von 30 % anerkannt. Am 09.06.2004 wurde die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten beteiligt. Ihre Stellungnahme erfolgte mit Schreiben vom 11.06.2004 (Blatt 45 d.A.). Am 11.06.2004 bat die Beklagte das Integrationsamt um Zustimmung zur Kündigung. Diese wurde mit Datum vom 24.06.2004 erteilt.
Mit Schreiben vom 29.06.2004, dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger daraufhin außerordentlich gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 06.07.2004 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen, am 13.07.2004 erhobenen Klage.
Der Kläger hat vorgetragen,
er bestreite, im Umfang von 50 Stunden zu privaten Zwecken im Internet gesurft zu haben. Er habe zu keinem Zeitpunkt Dateien heruntergeladen, er habe sich vielmehr nur Dateien im Internet angeschaut. Zu keinem Zeitpunkt habe er Seiten mit kinderpornographischem Inhalt aufgerufen. Da den Logdateien konkrete Dateinamen nicht zu entnehmen seien, könne er nicht detailliert Stellung nehmen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass 394 Minuten auf die 15-minütige Frühstückspause und die 45-minütige Mittagspause entfallen würden; wegen der Zeiten im Einzelnen wird auf die Aufstellung Blatt 67 d.A. Bezug genommen. Außerdem habe er sein Passwort auf dem PC abgespeichert und den Raum nicht abgeschlossen, wenn er seinen Arbeitsplatz nur kurz verlassen habe. Das Personalteam sei zudem zur Auswertung der Dateien nach der Zentralen Dienstvorschrift für IT-Sicherheit nicht berechtigt gewesen.
Im Hinblick auf seine langjährige Betriebszugehörigkeit, während der, was zwischen den Parteien unstreitig ist, das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei verlaufen sei, sei eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt. Noch im Jahr 2003 sei ihm auf Grund seiner positiven Leistungen eine Leistungsprämie in Höhe von 2.000 Euro gewährt worden. Es handele sich weder um eine schwerwiegende, noch um eine hartnäckige Pflichtverletzung, so dass der Ausspruch einer Abmahnung nicht entbehrlich gewesen sei. Es liege auch kein das Ansehen der Beklagten schädigendes Verhalten vor. Es sei ihm nicht anzulasten, wenn die Beklagte ohne jeden vernünftigen Anlass die Kriminalpolizei einschalte. Es sei nicht davon aus...