Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Aufhebungsvertrag. Drohung, widerrechtliche. Geschäftsunfähigkeit. Überlegungsfrist. Unterschlagung. Verhältnismäßigkeit. Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 105 Abs. 2 BGB setzt einen Zustand voraus, in dem die freie Willensbestimmung nicht nur geschwächt und gemindert, sondern völlig ausgeschlossen ist. Bloße Willensschwäche und leichte Beeinflussbarkeit durch andere schließen die Möglichkeit freier Willensbildung nicht aus. Bestimmte krankhafte Vorstellungen und Empfindungen des Erklärenden oder Einflüsse Dritter müssen derart übermäßig geworden sein, dass eine Bestimmung des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen war. Soweit Erkrankungen behauptet werden, ist darzulegen, inwieweit diese, entgegen der Regel, die freie Willensbestimmung des Klägers ausgeschlossen haben sollen. Ohne die Schilderung solcher Umstände würde eine Beweiserhebung einen unzulässigen Ausforschungsbeweis bedeuten.
2. Da ein Anfechtungsprozess nach § 123 BGB nicht wie ein fiktiver Kündigungsschutzprozess behandelt werden darf, sind die für und gegen die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sprechenden Umstände hier nicht abschließend abzuwägen. Von einem verständigen Arbeitgeber kann nicht generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung die mutmaßliche Beurteilung des Tatsachengerichts „trifft”.
Normenkette
BGB § 105 Abs. 2, § 123 Abs. 1, §§ 138, 242
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 11.10.2007; Aktenzeichen 6 Ca 792/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 11.10.2007 (6 Ca 792/07) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung des Klägers vom 24.05.2007 zum 31.05.2007 aufgelöst worden ist.
Der Kläger ist am 21.07.1954 geboren, geschieden und Vater von zwei Kindern im Alter von 17 und 20 Jahren. Er war seit dem 28.08.1974 bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften, zuletzt bei der Dienststelle A. B. im Auto-Parts-Store als Garagen-Manager beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt EUR 3.200,07. Die Dienststelle A. B. beschäftigt 100 bis 110 ortsansässige Arbeitnehmer. Der Kläger war von Mai 2002 bis Mai 2006 Mitglied der Betriebsvertretung.
A. dient der Versorgung der US-Army mit Dienstleistungen und Konsumgütern. Die vertriebene Ware ist steuerfrei. Die Einrichtungen von A., u. a. der Auto-Parts-Store auf dem Army-Gelände in B. – ein Autoteilemarkt mit angeschlossener Werkstatt – darf aus diesem Grund ausschließlich von US-Militärangehörigen, dem zivilen Gefolge und deren Familien genutzt werden. In den Geschäften dürfen lediglich berechtigte Personen (ID-Karteninhaber) einkaufen. Die lokalen ortsansässigen Arbeitnehmer dürfen keine zollfreie Ware kaufen oder Dienstleistungen erwerben. Dies war dem Kläger, der als Garagen-Manager eine Vorgesetztenfunktion ausübte, bekannt.
Am 23.05.2007 wurde der Kläger von zwei A.-Ermittlern in der Zeit von 10.30 bis 13.25 Uhr vernommen. Die Ermittler fertigten ein mehrseitiges Protokoll in englischer Sprache, das der Kläger unterzeichnet hat. Wegen des Wortlauts des Protokolls im Einzelnen wird auf Blatt 37 bis 41 der Akte Bezug genommen.
Das Protokoll lautet auszugsweise wie folgt:
„Q: |
What retail merchandise/ items have you taken from the auto parts store/ garage without making payment for? |
A: |
Between 20 and 24 drinks maybe. There was maybe ten snacks. And it was two floor mats that were defect.” |
Zu den zwei Fußmatten erklärte der Kläger, dass er sie wegen Beschädigung abgeschrieben habe. Ihm sei die Vorschrift bekannt, dass abgeschriebene Teile so zerstört werden müssen, dass sie von niemandem mehr benutzt werden können. Er habe die abgeschriebenen Fußmatten aus dem Müllcontainer geholt und sie nach Hause mitgenommen, um sie für Arbeiten unter seinem Auto zu verwenden.
Der Wert dieser zollfreien Ware wurde von den Ermittlern auf $ 55.55 geschätzt (Drinks $ 1.15 × 24 = $ 27.60, Snacks $ 1.00 × 10 = $ 10.00; Floor mats $ 17.95).
Der Kläger wurde von den Ermittlern außerdem zur Herkunft der Autoreifen an seinem Privat-Pkw befragt. Er erklärte, dass er die Hinterreifen von einem amerikanischen Soldaten gekauft habe, dessen Namen er nicht kenne. Er habe die Reifen nicht versteuert.
Schließlich wurde der Kläger von den Ermittlern befragt, welcher Mitarbeiter Autoersatzteile für private Zwecke über A. bei einem Lieferanten bestellt habe. Hiezu erklärte der Kläger, dass der Mitarbeiter T. H. ein Autoteil im Wert von ca. $ 57.00 über A. für sich privat bestellt habe, das auf seine Veranlassung von A. bezahlt worden sei. Der Vorfall sei ihm seit zwei Monaten bekannt, er habe mit dem Mitarbeiter gesprochen. Auf die Frage, weshalb er die Sache seit zwei Monaten nicht geklärt und dafür gesorgt habe, dass A. entschädigt werde, räumte der Kläger ein, dass dies ein Fehler gewesen sei.
Im...