Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgebliche Tarifwerke zur Entlohnung in der Chemischen Industrie Rheinland-Pfalz. Teilweise Neuregelung eines Verbandstarifvertrages durch firmenbezogenen Verbandstarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Dieselben Tarifvertragsparteien können wirksam eine Ablösung oder (teilweise) Abänderung eines von ihnen geschlossenen Tarifvertrages durch eine Neuregelung vereinbaren.
2. Eine solche (teilweise) Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien eines Verbandstarifvertrages kann auch durch einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag erfolgen.
3. Das Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1-2; TVG § 4 Abs. 3; ZPO § 212a
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 09.12.2014; Aktenzeichen 12 Ca 2396/14) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.:12 Ca 2396/14 - vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Entlohnung des Klägers nach dem aus seiner Sicht jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 06, jedenfalls aber nach E 05 sowie über Vergütungsrückstände.
Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.
Der 1954 geborene, verheiratete Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 26. Februar 1973 seit dem 1. März 1973 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Maschinenbediener beschäftigt.
Er ist seit Dezember 1994 Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik und seit 1997 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (im Folgenden: IG BCE).
Der Arbeitsvertrag vom 26. Februar 1973 (Bl. 8 d. A.), welcher mit der Z. GmbH auf Arbeitgeberseite abgeschlossen wurde, enthält unter anderem folgende Regelungen:
"Maßgeblicher Tarifvertrag 1.11.1972 Tarifgruppe IV
Einstell-Lohn Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel DM 4.70 freiwillige übertarifliche Zulage nach Z.-Gruppe 5a4 DM 0,67
(...)
Mehrarbeit für jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende Arbeitsstunde 25 %
(...)
Probezeit 6 Wochen mit beiderseitiger Kündigungsfrist von 3 Tagen.
Danach gelten die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen".
Es existierte ein MTV Chemie in der Fassung vom 1. November 1972, der auch entsprechende Tarifgruppen (Vorläufer der Entgeltgruppen) definierte.
Die damalige Arbeitgeberin Z. GmbH erwarb durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. (damals Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V.). Mit Vertrag vom 23. August 1994 wurde die Z. GmbH auf die Y. GmbH verschmolzen. Letztere war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Y. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Y. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. X. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. X. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt.
Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.
Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.
§ 2 Öffnungsklausel
Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter B...