Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Geltendmachung des Abzugs von Sozialversicherungsbeiträgen
Leitsatz (redaktionell)
Gem. § 28g S. 2 SGB IV kann der Anspruch des Arbeitgebers auf den vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf gem. § 28g S. 3 SGB IV nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden und danach nur noch dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist daher ein Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers wegen von ihm nachentrichteter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung gem. § 28g SGB IV ausgeschlossen.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1; SGB IV § 28g; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 09.05.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1279/18) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.05.2019 - 3 Ca 1279/18 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Klägerin zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung überzahlter Vergütung.
Der Beklagte war bei der Klägerin von April bis September 2016 beschäftigt. Die Parteien hatten zum 01. April 2016 ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einem Monatsentgelt in Höhe von 450,00 EUR bei einem Stundenlohn von 12,50 EUR vereinbart. Ab Mai 2016 arbeitete der Beklagte über den Umfang einer geringfügigen Beschäftigung von 36 Stunden pro Monat hinaus wesentlich mehr Stunden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der von der Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 26. September 2016, die vom Beklagten nicht angegriffen wurde.
Der Beklagte erhielt von der Klägerin insgesamt 6.261,25 EUR an Vergütung, die er teilweise im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses in Absprache mit dem Geschäftsführer der Klägerin gegen Unterschriftsleistung aus der Barkasse selbst entnahm und teilweise später durch Überweisungen der Klägerin ausgezahlt bekam. Die Klägerin erteilte dem Beklagten für den Monat April 2016 eine Abrechnung über einen Aushilfslohn von 450,00 EUR (Bl. 47 d. A.). Nachdem die Klägerin zunächst mit Schreiben vom 30. Januar 2017 (Bl. 52 - 54 d. A.) dem Beklagten für die Monate Mai bis Oktober 2016 Abrechnungen über jeweils 450,00 EUR (Bl. 55 - 60 d. A.) erteilt hatte, meldete sie ihn später rückwirkend für die Zeit ab dem 01. Mai 2016 bis zum 16. September 2016 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an und erteilte ihm korrigierte Abrechnungen für die Monate Mai 2016 bis September 2016 (Bl. 171 bis 175 d. A.). In den korrigierten Abrechnungen für die Monate Mai bis September 2016 sind folgende Beträge abgerechnet:
Mai 2016: 1.812,50 EUR brutto
- 419,00 EUR steuerrechtliche Abzüge
- 381,99 EUR sozialversicherungsrechtliche Abzüge
= 1.011,51 EUR netto
Juni 2016: 2.343,75 EUR brutto
- 591,85 EUR steuerrechtliche Abzüge
- 493,95 EUR sozialversicherungsrechtliche Abzüge
= 1.257,95 EUR netto
Juli 2016: 1.281,25 EUR brutto
- 217,59 EUR steuerrechtliche Abzüge
- 270,02 EUR sozialversicherungsrechtliche Abzüge
= 793,64 EUR netto
August 2016: 1.250,00 EUR brutto
- 206,25 EUR steuerrechtliche Abzüge
- 263,45 EUR sozialversicherungsrechtliche Abzüge
= 780,30 EUR netto
September 2016: 668,75 EUR brutto
- 110,56 EUR steuerrechtliche Abzüge
- 140,94 EUR sozialversicherungsrechtliche Abzüge
= 417,25 EUR netto
In dem vor dem Arbeitsgericht Trier geführten Vorprozess der Parteien - 3 Ca 514/17 - hatte der Beklagte (dortiger Kläger) die Klägerin (dortige Beklagte) auf Zahlung weiterer Vergütung mit der Begründung in Anspruch genommen, dass zwischen den Parteien eine Nettolohnabrede über einen Stundenlohn in Höhe von 12,50 EUR netto getroffen worden sei. Mit Urteil vom 11. Januar 2018 - 3 Ca 514/17 - hat das Arbeitsgericht im Vorprozess die Klage abgewiesen. In seiner Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass eine zwischen den Parteien getroffene Nettolohnvereinbarung vom Kläger (jetziger Beklagter) nicht hinreichend dargelegt worden sei und die Beklagte (jetzige Klägerin) für die Monate Mai bis September 2016 das Arbeitsverhältnis aufgrund der geleisteten Stundenzahl zu Recht als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis abgerechnet habe. Nach Abführung der hierauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben ergebe sich ein Gesamtnettolohnanspruch in Höhe von 4.685,45 EUR netto, der durch die Beklagte (jetzige Klägerin) erfüllt worden sei.
Mit Schreiben vom 13. März 2018 (Bl. 20, 21 d. A.) machte die Klägerin unter Verweis auf das inzwischen rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11. Januar 2018 eine Überzahlung von 1.575,80 EUR gegenüber dem Beklagten mit der Begründung geltend, dass ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis nach der Feststellung des Arbeitsgerichts insgesamt ein Betrag in Höhe von 4.685,45 EUR netto zustehe, er aber tatsächlich 6.261,25 EUR netto erhalten habe.
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