Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Versetzungsvorbehalts im Arbeitsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Ergibt die Auslegung, dass ein arbeitsvertraglicher Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zu Gunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, so unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle i.S. von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
2. Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Dabei ist regelmäßig von einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringwertiger Tätigkeiten zu Lasten des Arbeitnehmers ändern zu können.
3. Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrages gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO, wobei nach dieser Vorschrift dem Arbeitgeber das Weisungsrecht nur insoweit überlassen ist, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrages, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht stand hält.
4. Haben die Vertragsparteien ausdrücklich die Einstellung des Arbeitnehmers als Vorarbeiter und damit eine entsprechende Beschäftigung vereinbart, so ist eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer sich verpflichtet, bei Bedarf "jede andere zumutbare Arbeit" zu übernehmen, unwirksam, sofern nicht deutlich wird, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringwertiger Tätigkeiten vorbehält. Ist dies nicht der Fall, so ist der Versetzungsvorbehalt unwirksam mit der Folge, dass der Arbeitgeber an den im Arbeitsvertrag festgelegten Tätigkeitsinhalt gebunden ist.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; GewO § 106; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 02.09.2019; Aktenzeichen 2 Ca 808/19) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Vorarbeiter zu beschäftigen.
Der Kläger ist seit dem 01. März 2012 bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde mit Arbeitsvertrag vom 30. Januar 2012 ab 01. März 2012 als Isolierer/Facharbeiter eingestellt und war bis zum 30. April 2017 als solcher beschäftigt. Unter dem 20. März 2017 wurde zwischen den Parteien folgende Änderung des Arbeitsvertrags (Bl. 37 bis 42 d. A.) vereinbart:
"Der Mitarbeiter war vom 01.03.2012 bis zum 30.04.2017 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt.
Pos. 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses und Tätigkeit
1.1 Der Angestellte wird mit Wirkung vom 01. Mai 2017 als Vorarbeiter eingestellt.
1.2 Die Firma geht aufgrund der Erklärungen des Angestellten davon aus, dass dieser die persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Tätigkeit besitzt und ohne gesundheitliche Einschränkungen einsetzbar ist.
1.3 Der Angestellte verpflichtet sich, bei Bedarf auch andere zumutbare Arbeiten im Betrieb zu übernehmen.
(...)"
Danach arbeitete der Kläger seit dem 01. Mai 2017 als Vorarbeiter für die Beklagte bei der S. in L-Stadt. Mit Schreiben vom 04. Oktober 2018 wies die Beklagte dem Kläger als neuen Arbeitsort K-Stadt zu. Hiergegen hat sich der Kläger mit der vor dem Arbeitsgericht L-Stadt erhobenen Klage gewandt. In diesem Vorprozess ist zwischen den Parteien gemäß dem Beschluss des Arbeitsgerichts L-Stadt vom 15. April 2019 (§ 278 Abs. 6 ZPO) - 4 Ca 122/18 - ein Vergleich zustande gekommen, nach dem die Beklagte die Weisung vom 04. Oktober 2018 mit der Folge zurücknimmt, dass der Kläger zu deren Befolgung nicht mehr verpflichtet ist (Bl. 66, 67 d. A.). Nach der ihm im März 2019 erteilten Weisung wird er als Monteur auf dem Betriebsgelände der S. in L-Stadt eingesetzt und als Vorarbeiter vergütet, dies allerdings ohne entsprechende Weisungsbefugnis gegenüber seinen Kollegen.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein erhobenen Klage begehrt der Kläger seine vertragsgemäße Beschäftigung als Vorarbeiter.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 02. September 2019 - 2 Ca 808/19 - Bezug genommen.
Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, den Kläger als Vorarbeiter zu beschäftigen. Wegen der Begründung des Arbeitsg...