Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhaltspunkte. Betriebsstilllegung. Betriebsverlegung. Kündigung. Prognose. Betriebsbedingte Kündigung. beabsichtigte Betriebsstilllegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Besteht zwar bei Zugang der Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung noch eine Möglichkeit der Beschäftigung, sind aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits gefallen, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann. Dazu muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte Prognose gerechtfertigt sein, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Kündigung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen wird.
2. Die einer Prognose zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende Entscheidung muss zum Kündigungszeitpunkt bereits endgültig getroffen worden sein und die Schließung des Betriebs zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.04.2009; Aktenzeichen 2 Ca 11/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 9. April 2009, Az.: 2 Ca 11/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen der Beklagten vom 16.12.2008 und vom 27.02.2009 wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie hilfsweise über einen Anspruch auf Nachteilsausgleich.
Der Kläger ist seit dem 02.01.2001 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt EUR 2.550,00 beschäftigt. Er ist am 27.08.1968 geboren, verheiratet und gegenüber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte beschäftigte im November 2008 noch 15 Arbeitnehmer. Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrates.
Die Beklagte firmierte bis Ende November 2007 unter „X. GmbH” mit Sitz in der W-Straße in U-Stadt (AG U-Stadt HRB 1364). Sie beschäftigte ursprünglich mindestens 45 Arbeitnehmer, die am 23.03.2006 einen dreiköpfigen Betriebsrat gewählt haben. Mit Beschluss vom 29.11.2007 änderte die Beklagte die Firma in „T. GmbH” und verlegte den Sitz in die S. in U-Stadt (AG U-Stadt HRB 1364). Am 25.06.2009 meldete ihr Geschäftsführer das Gewerbe wegen vollständiger Betriebsaufgabe zum 30.06.2009 bei der Stadt U ab. Mit Beschluss vom 29.06.2009 änderte die Beklagte die Firma in „A.” und verlegte ihren Sitz nach A-Stadt (AG R-Stadt HRB 18039). Herr Q. P. ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Beklagten, die sich laut Eintragung im Handelsregister mit der Ausführung und Vermittlung von Kranarbeiten, Bergungen, Schwertransporten, Güterkraftverkehr und Speditionsgeschäften aller Art beschäftigt.
Die Beklagte stellte am 18.09.2009 beim Amtsgericht R-Stadt einen Antrag auf Insolvenzeröffnung (Az. 113 IN 57/09) Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 24.09.2009 zur Aufklärung des Sachverhalts ein Sachverständigengutachten eingeholt und einen Gutachter beauftragt.
Am 15.11.2008 fasste Herr P. folgenden Beschluss, den er in einem Protokoll schriftlich festhielt:
„Vor dem Hintergrund der scharfen Wettbewerbssituation, der negativen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der aktuell stark angespannten Liquiditätssituation sowie den ungünstigen Ertragsaussichten wird zur Verhinderung eines bereits heute absehbar notwendigen Insolvenzantrags die Beendigung des aktiven Geschäftsbetriebs der Gesellschaft zum 30. Juni 2009 und die unmittelbar daran anschließende Liquidation der Gesellschaft beschlossen.”
Mit Schreiben vom 29.11.2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Das Schreiben hat – auszugsweise – folgenden Wortlaut:
„… die Geschäftsführung hat unwiderruflich beschlossen, den Betrieb bis zum 30.6.09 still zu legen, d.h. zu schließen. Die Schließung der Abteilung Vermietung von Gabelstaplern, Arbeitsbühnen und Reparatur eigener Fahrzeuge erfolgt zum 28.2.09, die Schließung der Abteilung Transporte und Maschinenumzüge zum 30.4.09 und der Kernbereich Kranvermietung zum 30.6.09. Die Termine ermöglichen die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und der Arbeitnehmer hat ausreichend Zeit, eine neue Arbeitsstelle zu finden.
Hiermit wird die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung von
C. … zum 28.2.09 beantragt.”
Der Betriebsrat widersprach der geplanten Kündigung zum 28.02.2009 mit Schreiben vom 04.12.2009 und führte zur Begründung aus:
„Herr C. ist seit Dezember 2007 Beisitzer des dreiköpfigen Betriebsrats.
Herr C. kann anhand seiner Qualifikation, u.a. Ausbildung und Abnahme zu Führerscheinen für Gabelstapler, seine kaufmännische Ausbildung, seiner Erfahrung als Disponent und bei Ersatzteilbestellungen an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG).
Des weiteren...