Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Versorgungsordnung bezüglich einer Versorgungsleistung für zurückliegende Zeiträume. Anspruch auf Altersrente ab Antragstellung. Auskunftserteilung des Arbeitgebers zur Höhe der Betriebsrente des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Ob und inwieweit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf entsprechenden Antrag für einen zurückliegenden Zeitraum zu gewähren sind, ist im Wege der Auslegung der Versorgungsordnung zu ermitteln.
2. Eine Klausel in AVB, wonach ein Anspruch auf betriebliche Altersrente erst mit Antragstellung entsteht, benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.
Leitsatz (redaktionell)
Erteilt ein Arbeitgeber eine Auskunft über die Höhe oder die Voraussetzungen der betrieblichen Altersversorgung, muss diese richtig sein. Eine unrichtige Auskunft stellt eine Pflichtverletzung dar, die gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu einem Schadensersatzanspruch führen kann. Jedem Arbeitsverhältnis wohnt zudem die Nebenpflicht inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 6; BGB § 241 Abs. 3, § 280 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 3 S. 1; SprAuG § 28 Abs. 2; EGBGB Art. 229 § 5 S. 2; SGB VI § 99
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.10.2021; Aktenzeichen 2 Ca 704/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 18.10.2021, Az.: 2 Ca 704/21, unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger für die Monate November 2018 bis einschließlich Juni 2020 insgesamt 53.272,60 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.07.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) haben der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersversorgung für die Zeit von November 2018 bis einschließlich Juni 2020, und zwar zum, einen auf eine sogenannte Performance Pension sowie zum anderen auf eine Pensionskassenrente.
Der 1958 geborene Kläger war ab dem 01.07.1989 in der B.-Gruppe und ab 01.05.1995 bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 28.04.1995 (Bl. 9 ff. d. A.) beschäftigt. In diesem Arbeitsvertrag heißt es unter VI:
"1. Wir sichern Ihnen auf Lebenszeit eine Versorgung nach dem als Anlage beigefügten Pensionsvertrag zu.
2. Während der Dauer des Anstellungsverhältnisses sind sie weiterhin nach Maßgabe der Satzung Mitglied der Pensionskasse der Angestellten der B. Aktiengesellschaft.
3. Ab Vollendung des 60. Lebensjahres können Sie unter Inanspruchnahme der Versorgung aus ihrem Pensionsvertrag auf eigenen Wunsch in den Ruhestand treten."
[...]."
Unter dem Datum vom 01.05.1995 schlossen die Parteien "unter Bezugnahme auf Abschnitt VI. 1" des Anstellungsvertrags ein Pensionsabkommen.
Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Kündigung des Klägers zum Ablauf des 31.08.2002. Die Beklagte wandte sich unter dem 20.09.2002 (Bl 13 f. d. A.) wie folgt an den Kläger:
"[...] Nach dem Betriebsrentengesetz haben Sie bei der B. Aktiengesellschaft und der B. Pensionskasse eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen erworben.
Die nachstehend ausgewiesenen Werte sind die per 31.08.2002 ermittelten unverfallbaren Anwartschaften auf der Grundlage der derzeit geltenden Versorgungsregelungen. Im einzelnen betragen die jährlichen Leistungen (Bruttowerte):
1. B. Pensionskassenrente € 7.737,96
2. Performance Pension (PerPe) € 19.808,21
[...]
Für die Leistungsgewährung gelten die Bestimmungen der Satzung und des Leistungsplanes der B. Pensionskasse sowie der Performance Pension-Versorgungsordnung im Zeitpunkt Ihres Ausscheidens. [...]
Die betrieblichen Pensionsleistungen müssen schriftlich beantragt werden. Zur Antragstellung sind Sie selbst bzw. Ihre Hinterbliebenen berechtigt. Bei verspäteter Antragstellung verschiebt sich der Leistungsbeginn entsprechend; rückwirkende Pensionszahlungen werden nicht gewährt.
Der Antrag auf Altersrente ist spätestens einen Monat nach dem Tage, an dem die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, einzureichen. Bei Beantragung der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist bei uns ein formloser Antrag zu stellen.
Die Auskunft über die Höhe Ihrer unverfallbaren betrieblichen Versorgungsanwartschaften betrachten wir als verbindlich. Gegen diese Auskunft können Sie innerhalb von vier Wochen einen schriftlichen Widerspruch einlegen.
Beigefügtes Duplikat dieses Schreibens bitten wir mit Ihrer Unterschrift versehen, wieder an uns zurückzugeben."
Der Kläger hat dieses Schreiben...