Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Die schuldhafte, vergeblich abgemahnte Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG) kann den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung sozial rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn es dadurch nicht zu einer Störung der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens gekommen ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 22.12.2016; Aktenzeichen 6 Ca 657/16) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 22.12.2016, Az. 6 Ca 657/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 25.08.1978 geborene Kläger war seit dem 01.08.1994 bei der Beklagten als Maschinenbediener beschäftigt.
Die Beklagte erteilte dem Kläger in der Zeit vom 20.12.2013 bis 19.07.2016 insgesamt 6 Abmahnungen wegen Verspätungen bzw. Unpünktlichkeit sowie 2 Abmahnungen wegen Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen im Einzelnen wird auf Blatt 55 f, 61-65, 201 f d. A. Bezug genommen.
Am 31.08.2016 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Am 01.09.2017 ging im Hause der Beklagten eine am selben Tag ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers ein, die jedoch erst am Folgetag, dem 02.09.2016 der Personalabteilung vorlag.
Mit Schreiben vom 08.09.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2017. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 23.09.2016 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, es treffe nicht zu, dass er am 31.08.2016 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei. Er habe seinem Vorgesetzten am Vortag, dem 30.08.2016, kurz vor Schichtende mitgeteilt, dass er Beschwerden im unteren Rückenbereich habe, deshalb am nächsten Tag einen Arzt aufsuchen wolle und nicht zur Arbeit kommen werde, es sei denn, die Rückenschmerzen würden über Nacht nachlassen. Sein Vorgesetzter habe ihm daraufhin geantwortet, dass "alles klar" sei.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.09.2016 nicht beendet werden wird,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschinenbediener weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger habe erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er - trotz vorheriger Abmahnungen - am 31.08. und am 01.09.2016 erneut unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Eine Information seitens des Klägers über sein Fernbleiben bzw. über seine Arbeitsunfähigkeit habe am 31.08.2016 nicht vorgelegen.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 22.12.2016 (Bl. 111 bis 115 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.12.2016 (dort Seite 3 = Bl. 101 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.12.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 14 dieses Urteils (= Bl. 116 bis 123 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 19.01.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.01.2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 20.03.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 05.04.2017 begründet.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Warnfunktion der ihm erteilten Abmahnungen sei im Hinblick auf deren Vielzahl abgeschwächt und entwertet. Eine Abmahnung könne nur dann ihre Warnfunktion erfüllen, wenn der Arbeitnehmer die Drohung mit einer Kündigung noch ernst nehmen müsse, was vorliegend nicht mehr der Fall gewesen sei. Die von der Rechtsprechung geforderte Eindringlichkeit der letzten Abmahnung liege nicht vor, da die Beklagte lediglich die Formulierung gewählt habe, wonach im Wiederholungsfall oder bei einer ähnlichen Pflichtverletzung mit einer Kündigung gerechnet werden müsse. Ihm - dem Kläger - sei nicht klar gewesen, dass die zeitlich letzte Abmahnung derart relevant sei, dass er sein Verhalten ändern müsse. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Das Arbeitsgericht habe den Grundsatz der subjektiven Determination zu weitgehend interpretiert. Diesbezüglich habe er bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass ihm eine gru...