Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers wegen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wird einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer dauerhaft unmöglich, seine bisherige Tätigkeit (infolge Arbeitsunfähigkeit) auszuüben, so kann das regelmäßig allenfalls eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist rechtfertigen.
2. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt dabei ferner voraus, dass im gesamten Zuständigkeitsbereich des Vertragsarbeitgebers zum Kündigungszeitpunkt und in absehbarer Zeit keine Möglichkeiten zur anderweitigen Beschäftigung bestehen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; TV-L § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 10.11.2016; Aktenzeichen 5 Ca 289/16) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.11.2016, Az.: 5 Ca 289/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen Kündigung aus personenbedingten Gründen.
Der 1963 geborene, ledige Kläger hat bei dem beklagten Land zunächst in der Zeit vom 01.08.1982 bis zum 02.07.1985 erfolgreich eine Ausbildung zum Straßenwärter bei der Straßenmeisterei K. absolviert. Anschließend wurde er seit dem 03.07.1985 weiter als Arbeiter/Straßenwärter auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 08.08.1985 (Bl. 13 ff. d.A.) in verschiedenen Straßenmeistereien des nichtrechtsfähigen Landesbetriebes Mobilität RheinlandPfalz beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Mantel-Tarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTArb) vom 27.02.1964 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages vom 08.08.1985 (Bl. 13 f. d. A.) wird verwiesen. Der Kläger war seit dem 03.07.1992 in der Lohngruppe 5a Nr. 5 MTArb eingereiht und wurde zum 01.11.2006 in die Entgeltgruppe 5 TV-L übergeleitet.
Bei dem Kläger besteht ein Grad der Behinderung von 30 %. Er wurde mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 30.08.2011 (Bl. 15 d.A.) einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Bereits mit Schreiben vom 07.11.2008 hatte das beklagte Land dem Kläger erstmals das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2009 aus personenbedingten Gründen gekündigt. In dem daraufhin geführten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach (Az: 11 Ca 1484/08) und vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az: 7 Sa 506/09) obsiegte der Kläger nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, das ergab, dass nicht feststellbar sei, dass zukünftig vom Kläger Gefahren für sich oder Dritte zu erwarten seien.
Der Kläger wurde dann ab dem 01.06.2011 in der Master-Straßenmeisterei Ki. weiterbeschäftigt und war von Juli 2011 bis Dezember 2011 insgesamt an 53 Tagen und im Jahr 2012 bis September 2012 an 94 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 07.11.2012 kündigte das beklagte Land erneut außerordentlich fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2013 aus verhaltensbedingen Gründen. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte ebenfalls schließlich im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az.: 5 Sa 262/13) Erfolg.
Anschließend wurde der Kläger ab dem 25.03.2014 zunächst in der Straßenmeisterei B. S. weiterbeschäftigt. In der Folgezeit war er bis Juli 2014 bis auf 5 Arbeitstage überwiegend arbeitsunfähig erkrankt. Das beklagte Land beauftragte den Betriebsarzt der i. AG, den Kläger zu untersuchen und festzustellen, ob er künftig als Straßenwärter weiterbeschäftigt werden könne. Dieser teilte nach einer Untersuchung im August 2014 mit E-Mail vom 24.10.2014 dem beklagten Land als Ergebnis mit, dass der Kläger wegen der bestehenden Hinweise auf eine Eigen- und Fremdgefährdung aus arbeitsmedizinischer Sicht von den arbeitsvertraglich geschuldeten gefährdenden Tätigkeiten freizusprechen sei. Zugleich wurde ferner empfohlen, ein psychiatrisches Gutachten zu erstellen (vgl. Bl. 33, 128 d. A.).
Am 23.10.2014 fand ein betriebliches Eingliederungsmanagement-Gespräch statt (vgl. Bl. 194 d.A.).
Der Kläger wurde daraufhin ab dem 28.10.2014 von der Arbeit freigestellt (unter Fortzahlung seines Entgelts). Ferner wurde eine amtsärztliche Untersuchung am 10.11.2014 durch die Amtsärztin des Gesundheitsamtes S., Frau Dr. W., mit einem Gespräch am 17.11.2014 veranlasst. Dies führte zu einer fachärztlichen Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Leiter der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses L., Herrn PD Dr. M.. Nach Eingang des hierauf ergangenen psychiatrischen Gutachtens erstellte das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises ein Gutachten unter dem 19.01.2015, w...