Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzerkrankung. Prognose, negative. Krankheit und Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die prognostizierten Fehlzeiten können eine krankheitsbedingte Kündigung sozial dann rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, wobei neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers wegen der zu erwartenden, den Zeitraum von sechs Wochen pro Jahr übersteigenden Lohnfortzahlungskosten zählen.
2. Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen dürfen für die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose auch die Erkrankungen herangezogen werden, die als Kurzerkrankung individuell ausgeheilt sind. Auch derartige Erkrankungen, die zwar im Hinblick auf Ihre Ursache nach dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum ausgeheilt sind, können aufgrund des Diagnosetyps Schlussfolgerungen ermöglichen, dass sie aufgrund einer persönlichen, konstitutionellen Schwäche des Arbeitnehmers derart gehäuft aufgetreten sind, dass sie auch künftig in ähnlichem Umfang auftreten werden.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 30.01.2007; Aktenzeichen 9 Ca 1543/06) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.01.2007 – AZ: 9 Ca 1543/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Der Kläger, welcher auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.05.1997 (Bl. 3-4 d. A.) bei der Beklagten seit 28.05.1997 in der Spedition der Beklagten als Lagerarbeiter beschäftigt ist, ist im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 52 Jahre alt und dem jüngsten seiner vier Kinder neben seiner Frau unterhaltsverpflichtet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 126-129 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil vom 30.01.2007 die Klage kostenpflichtig abgewiesen, was im Wesentlichen damit begründet worden ist, dass die Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aufstelle, wenn es um die Überprüfung einer personenbedingten Kündigung, welche auf häufigen Kurzerkrankungen beruhe, erfüllt seien. Die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit verbunden mit der genannten Diagnose ergebe die Annahme, dass der Kläger auch künftig entsprechende Fehlzeiten aufweisen werde. Diese Indizwirkung werde nicht dadurch ausgeräumt, weil es sich größtenteils nicht um erkennbar chronische Erkrankungen handele und die einzelnen Infekte ausgeheilt seien. Die angegebenen Diagnosen würden die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger eine gewisse allgemeine Anfälligkeit für Erkrankungen aufweise. Auch wenn der Kläger wegen des diagnostizierten Diabetes mellitus seit dem Jahre 2005 nicht mehr erkrankt sei, so könne es deswegen immer wieder zu Fehlzeiten kommen, zumal der Kläger ersichtlich nichts Grundlegendes in seiner Lebensführung geändert habe, was auch für die übrigen Erkrankungen gelte. Auch die langen Ausfallzeiten im Zusammenhang mit Infektionserkrankungen belegten seine erhöhte Anfälligkeit.
Gesichtspunkte, dass die genannten Erkrankungen künftig nicht mehr auftreten würden, habe der Kläger nicht nennen können.
Die Anzahl der Fehlzeiten sei zudem erheblich und habe auch zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt, die die Beklagte zum Ausspruch der Kündigung berechtigten. Neben den Lohnfortzahlungen, die einen Zeitraum von 6,5 Jahren bei der Gesamtbeschäftigungsdauer von zehn Jahren ausmachten, sei eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen. Auch die anzustellende Interessensabwägung gehe zu Lasten des Klägers, weil die Interessen der Beklagten, künftig nicht mehr hohe Lohnfortzahlungskosten aufzubringen, das Interesse des Klägers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes aufgrund seines Lebensalters und der Unterhaltsverpflichtung für die vierzehnjährige Tochter. Das Beschäftigungsverhältnis der Parteien sei lediglich die ersten 2,5 Jahre ungestört verlaufen und die Beschäftigung sei noch nicht von derartig langer Dauer, dass dem Arbeitgeber die hohen Lohnfortzahlungskosten zuzumuten seien.
Auch könne nicht erkannt werden, dass die Verhältnisse am Arbeitsplatz verschiede Erkrankungen des Klägers hervorgerufen haben könnten, zumal die Fehlzeiten des Klägers deutlich über denjenigen der unmittelbaren Mitarbeiter liege.
Das Urteil ist dem Kläger am 19.03.2007 zugestellt worden, woraufhin Berufung am 30.03.2007 eingelegt und innerhalb verlängerter Frist am 20.06.2007 im Wesentlichen damit begründet worden ist,
dass die bei der hierzu beurteilenden Kündigung anzustellende Prognose dazu führen muss, um eine Kündigung zu rechtfertigen, dass es aufgrund der häufigen Kurzerkrankungen nicht möglich sei, den Vertragszweck zu err...