Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines als Tennis-Trainer in einer Eliteschule des Sports eingesetzten Heimerziehers/Erziehertrainers wegen sexuell motivierten Verhaltens gegenüber einer Schülerin
Leitsatz (amtlich)
In den pädagogischen Auftrag einer Schule eingebundene Erzieher müssen durch ein dem Erziehungsauftrag angepasstes Verhalten gegenüber den ihnen anvertrauten Schülern bereits den objektiven Anschein eines sexuell motivierten Verhaltens verhindern. Ein Verstoß gegen dieses Gebot kann geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung an sich zu rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626; SchulG-RP § 1 Abs. 5; SchulG-RP § 25 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 05.10.2016; Aktenzeichen 1 Ca 779/16) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 2. Juni 2016 aufgelöst worden ist.
Der 1961 geborene, seiner Ehefrau und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei dem beklagten Land seit dem 1. August 1989 als Heimerzieher/ Erziehertrainer zu einer Brutto-Monatsarbeitsvergütung von 3.500,- EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet ergänzend zum Arbeitsvertrag (Bl. 21 d.A.) der TV-L Anwendung. Der Kläger war am H.-Gymnasium K. eingesetzt. Es handelt sich hierbei um eine schulische Einrichtung, die als "Eliteschule des Sports" sportlich talentierten und interessierten Schülern und Schülerinnen eine leistungsorientierte Ausbildung in Verbindung mit einem hochwertigen Schulabschluss ermöglicht. In Rheinland-Pfalz ist es die einzige schulische Einrichtung dieser Art. Der Kläger war in diesem Rahmen u. a. als Tennistrainer tätig. Zu den von ihm betreuten Schülerinnen gehörte auch die Schülerin I.W., geboren am 14. April 1999.
Zwischen der genannten Schülerin und dem Kläger kam es im Zeitraum vom 9. Juni 2015 bis zum 26. Januar 2016 zu einem Chat-Dialog mittels WhatsApp in dessen Rahmen vom Kläger an die Schülerin auch Fotos übermittelt wurden. Hinsichtlich des Inhalts des Chats sowie der übermittelten Fotos wird auf Bl. 76 ff., 148 ff., 263 ff. d.A. Bezug genommen.
Am 22.1.2016 wurde die Schülerin I.W. polizeilich wegen des Chat-Verlaufs im Rahmen eines gegen den Kläger gerichteten Ermittlungsverfahrens vernommen (Bl. 106 d.A.). Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit einem am 6. Mai 2016 bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion des beklagten Landes eingegangenen Schreiben (Bl. 98 ff. d.A.) beschwerte sich die Mutter der Schülerin über das Verhalten des Klägers. Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 (Bl. 27 f. d.A.) stellte das beklagte Land den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Arbeit frei, übermittelte das genannte Schreiben der Mutter der Schülerin und teilte mit, dass beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Mai 2016 gegeben. Einen Antrag des Bevollmächtigten des Klägers, die Frist bis zum 27. Mai 2016 zu verlängern, lehnte das beklagte Land zunächst ab. Nachdem die Mutter der betroffenen Schülerin dem beklagten Land am 24. Mai 2016 den gesamten Chat-Verlauf als Ausdruck zur Verfügung stellte, übersandte dieses die Ausdrucke - allerdings teilweise unvollständig - am gleichen Tag per Fax an den Bevollmächtigten des Klägers und gewährte eine Fristverlängerung bis zum 27. Mai 2016 und nachfolgend bis zum 1. Juni 2016. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 25. Mai 2016 nahm der Kläger zu den Vorwürfen Stellung
Mit Schreiben vom 25. Mai 2016 (Bl. 134 f. d.A.) unterrichtete das beklagte Land den Bezirkspersonalrat über eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung. Dem Personalrat wurde dabei auch ein Ausdruck des Chat-Verlaufs übermittelt. Ergänzend übermittelte das beklagte Land unter dem 30. Mai 2016 die Stellungnahme des Klägers gemäß Schreiben seines Bevollmächtigten. In der Sitzung vom 1. Juni 2016 beschloss der Personalrat, keine Stellungnahme abzugeben (Bl. 164 d.A.).
Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 (Bl. 7 ff. d.A.), dem Kläger zugegangen am 3. Juni 2016, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbingens der Parteien erster Instanz wird ergänzend Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 5. Oktober 2016, Az. 1 Ca 779/16 (Bl. 171 ff.d.A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:
Der Kläger habe nicht nur nicht die notwendige Distanz zur Schülerin I.W. gewahrt, sondern durch sein ausweislich des Chat-Verlaufs aufdringliches, ...