Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte bei unerheblichen Einwendungen der Arbeitnehmerin gegen die Tatsächlichkeit ihrer ehrverletzenden Äußerung gegenüber einem Vorgesetzten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bezeichnung als „Lügner“ hat einen herabsetzenden Charakter, denn als „Lügner“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch abwertend diejenigen bezeichnet, die absichtlich Unwahres sagen, um andere zu täuschen. Die Behauptung der Arbeitnehmerin, dass ihre Äußerung „Sie lügen“ im Scherz erfolgt ist und sie keine Ehrkränkung ihres Vorgesetzten beabsichtigt hat, steht der Berechtigung einer Abmahnung nicht entgegen, da für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, nicht auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Arbeitnehmerin im Sinne eines Verschuldens ankommt, sondern allein darauf, ob der Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist.

2. Eine Abmahnung ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Arbeitgeberin über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte, etwa weil der Arbeitnehmerin ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern liegt. Auch der Umstand, dass sich die Arbeitnehmerin bei ihrem Vorgesetzten entschuldigt hat, steht der Berechtigung einer Abmahnung nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1, §§ 242, 611a, 1004 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 31.01.2018; Aktenzeichen 2 Ca 1028/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31. Januar 2018, Az. 2 Ca 1028/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Die 1961 geborene Klägerin ist seit dem 15.01.2017 bei den US-Streitkräften in K. als Sachbearbeiterin zu einer Vergütung nach Gehaltsgruppe ZB6/1 beschäftigt. Die Klägerin gibt ihr durchschnittliches Bruttomonatsgehalt mit € 3.050,00 an. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der TVAL II Anwendung.

Am 09.06.2017 erhielt die Klägerin von ihrem Vorgesetzten, dem Betriebszentralleiter W., eine E-Mail zum Thema "Manpowerstudie", die er nicht nur an die Klägerin persönlich, sondern an eine Vielzahl weiterer Beschäftigter versandt hatte. Die Klägerin teilte ihrem Vorgesetzten noch am selben Tag in einem Telefongespräch mit, sie sei von diesem Thema nicht betroffen, weil ihre Stelle in der angehängten Liste nicht aufgeführt sei. Auf den Hinweis ihres Vorgesetzten, dass ihre Position sehr wohl im E-Mail-Anhang aufgelistet sei und sie sich als Sachbearbeiterin im Bereich Qualitätsmanagement ohnehin mit den Abläufen der Studie beschäftigen müsse, antwortete ihm die Klägerin: "Sie lügen". Im Verlauf des Telefonats wiederholte die Klägerin später noch einmal den Vorwurf, dass ihr Vorgesetzter lüge.

Mit Schreiben vom 12.06.2017 entschuldigte sich die Klägerin bei ihrem Vorgesetzten für ihre Wortwahl, die nicht "ernst gemeint", aber sicherlich falsch gewesen sei. Am 29.06.2017 mahnte der Vorgesetzte die Klägerin wegen ungebührlichen Verhaltens schriftlich ab.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 29.06.2017 aus ihrer Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 31.01.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt, die Abmahnung enthalte keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen, zudem beruhe sie nicht auf einer unzutreffenden Bewertung des Verhaltens der Klägerin. Der in der Abmahnung enthaltene Vorwurf, die Klägerin habe ihren Vorgesetzten beleidigt, weil sie im Telefonat vom 09.06.2017 zweimal geäußert habe, dass er lüge, sei zutreffend. Darauf, ob die Klägerin bei ihrer Äußerung vorsätzlich gehandelt oder beabsichtigt habe, ihren Vorgesetzten zu beleidigen, komme es nicht an. Das Maß der subjektiven Vorwerfbarkeit sei für die Berechtigung einer Abmahnung ohne Belang. Die Abmahnung sei auch nicht unverhältnismäßig, weil sich die Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2017 entschuldigt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 31.01.2018 Bezug genommen.

Gegen das am 07.02.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 06.03.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 04.04.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht geltend, eine Abmahnung wegen Beleidigung sei schon dann ungerechtfertigt, wenn der angeblich Beleidigte eine angemessene Entschuldigung erfahre. Damit sei die Beleidigung nach europäisch-christlicher Sitte aus der Welt gesch...

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