Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Verhältnismäßigkeit. Beleidigung von Kollegen und Vorgesetzten
Leitsatz (amtlich)
Äußert eine Mitarbeiterin eines Baumarktes gegenüber Vorgesetzten und Kollegen: „Ihr könnt mich alle mal”, ist eine deswegen ausgesprochene Abmahnung nicht unverhältnismäßig.
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber rügebefugt, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Auf Qualität oder Quantität der Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten kommt es nicht an.
Eine Abmahnung ist nur dann unverhältnismäßig, wenn sie durch ihre Form oder ihren Inhalt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt. Sie ist aber nicht unverhältnismäßig, wenn sie sich auf den Vertragsverstoß, dessen sachliche Beanstandung und die Ankündigung von arbeitsrechtlichen Sanktionen für den Wiederholungsfall beschränkt.
Normenkette
BGB §§ 611, 1004, 823
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 27.03.2002; Aktenzeichen 4 Ca 49 d/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.03.2002 – 4 Ca 49 d/02 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine mit Datum vom 02.11.2001 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. Der der Abmahnung zugrunde liegende Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig. Jedoch sind die Parteien unterschiedlicher Auffassung darüber, ob durch die Abmahnung das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt wird.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das klagstattgebende Urteil des Arbeitsgerichts vom 27.03.2002 verwiesen, das der Beklagten am 24.04.2002 zugestellt worden ist und gegen das sie am 30.04.2002 Berufung eingelegt und am 02.05.2002 begründet hat.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, das Arbeitsgericht habe nicht ausgeführt, worin es die Unverhältnismäßigkeit der Abmahnung sehe. Sie, die Beklagte, habe die Abmahnung ausgesprochen, um die Klägerin auf ihre vertraglichen Verpflichtungen hinzuweisen und für die Zukunft vertragsgerechtes Verhalten einzufordern mit dem Hinweis auf andernfalls eintretende Folgen bis hin zur Kündigung. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Abmahnung komme es auf das Verschulden nicht an. Eine objektive Pflichtverletzung dürfe abgemahnt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.03.2002 – 4 Ca 49 d/02 – abzuändern und die Klage kostenfällig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus, das Arbeitsgericht habe sehr wohl darauf hingewiesen, worin es die Unverhältnismäßigkeit sehe. Dabei habe es nicht nur auf die nachträgliche Entschuldigung der Klägerin abgestellt, sondern auch berücksichtigt, dass die Entschuldigung unverzüglich erfolgt sei, ohne dass sie hierzu vom Arbeitgeber aufgefordert worden sei. Sie habe sich in einer äußerst angespannten Situation zu der Äußerung hinreißen lassen, jedoch nach kürzester Zeit selbst erkannt, dass sie sich falsch verhalten habe und sich für ihr unbeherrschtes Verhalten entschuldigt. Darüber hinaus sei berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Jahre störungsfrei bestanden habe. Zwar sei es nicht hinzunehmen, dass eine Arbeitnehmerin ihre Kollegen in der geschehenen Weise beleidige und herabsetze. Es sei der Beklagten jedoch möglich und zuzumuten gewesen, eine Ermahnung zu erteilen, also das gerügte Verhalten nicht mit einer Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall zu versehen. Hinzukomme, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Übermaßverbot zur Vermeidung von schwerwiegenden Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen zu verstehen sei. Deshalb sei die erteilte Abmahnung im Vergleich zu dem beanstandeten Verhalten unverhältnismäßig.
Beide Parteien haben am 23.05. bzw. 03.06.2002 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Klägerin hat nicht Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte. Die Abmahnung verletzt nämlich nicht das Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Abmahnung um die Ausübung eines allgemeinen vertraglichen Rügerechtes, das jedem Vertragspartner zusteht und es ihm erlaubt, den anderen Teil auf Vertragsverletzungen und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Ziel ist, den anderen – bei dem Abgemahnten kann es sich auch um den Arbeitgeber handeln – auf seine vertraglichen Pflichten hinzuweisen und deutlich zu machen, dass hier eine Verletzung vorliege, bei deren Wiederholung individualrec...