Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitszeitbetruges

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwar begründet der Verdacht, ein Arbeitnehmer habe das Werksgelände ohne Betätigung der Stechuhr verlassen und habe dies mit seinem Ausweis zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Dritten vornehmen lassen, an sich einen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

2. Jedoch liegen die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vor, wenn der Verdacht lediglich darauf gestützt wird, dass zwei von dem gekündigten Arbeitnehmer benannte Kollegen nicht bestätigt haben, dass sie ihn zum fraglichen Zeitpunkt gesehen haben, wie er selbst die Stechuhr betätigte.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 15.01.2019; Aktenzeichen 6 Ca 578/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 15.01.2019 - 6 Ca 578/18 - abgeändert:

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 20.07.2018 nicht aufgelöst worden ist.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Beklagte zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der 1978 geborene Kläger war seit dem 11. Juli 2005 bei der Beklagten im Werk W-Stadt als Lackierer beschäftigt. Er war Wahlbewerber (Liste 13, Platz 59) für die Betriebsratswahl 2018 im Werk W-Stadt, deren Wahlergebnis im März 2018 bekannt gegeben wurde.

Am 05. Juli 2018 arbeitete der Kläger mit seinem Arbeitskollegen I. V. in einer Lackierkabine im Gebäude 5 a zusammen. Gegen 13:00 Uhr fragte der Kläger seinen Kollegen, ob es für ihn okay sei, wenn er den Arbeitsplatz verlasse, da er zu seinem Auto gehen müsse, um Medikamente zu holen. Herr V. sagte zum Kläger, dass es in Ordnung sei und er gehen könne. Sodann übernahm Herr V. auch die Arbeiten des Klägers. Der Kläger zog seinen Arbeitsoverall aus und lief in Richtung Drehtor 1 b, ohne zuvor abzustempeln. Gegen 13:07 Uhr ging der Kläger durch das Drehtor auf den Parkplatz und begab sich zu seinem Auto. Im Zeiterfassungssystem wurde am 05. Juli 2018 für den Kläger durch Betätigung der Stempeluhr mit seinem Werksausweis als tatsächliches Arbeitsende 14:31 Uhr erfasst. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger gemäß seiner Darstellung mit einem ihm nicht bekannten Kollegen ohne Ausweis durch die Drehtür wieder auf das Werksgelände gelangt ist und das Zeiterfassungsgerät selbst bedient hat oder ob der Kläger gemäß der Annahme der Beklagten (bzw. dem von ihr angeführten Verdacht) tatsächlich nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, sondern die Bedienung des Zeiterfassungsgerätes um 14:31 Uhr mit seinem Werksausweis durch einen anderen Mitarbeiter hat durchführen lassen.

Mit Schreiben vom 09. Juli 2018 (Bl. 88 d. A.) wurde der Kläger zur "Kündigungsanhörung" am 10. Juli 2018 in das Personalcenter im Werk W-Stadt unter Verweis darauf eingeladen, dass der Verdacht des Arbeitszeitbetruges bestehe und Hinweise dafür vorlägen, dass er am 05. Juli 2018 unerlaubt privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit nachgegangen sei. Wegen des daraufhin am 10. Juli 2018 geführten Gesprächs zur Anhörung des Klägers und der von ihm im Rahmen seiner Anhörung gemachten Angaben wird auf die Anhörungsniederschrift vom 10. Juli 2018 (Bl. 89 bis 93 d. A.) verwiesen. Hinsichtlich der sodann am gleichen Tag erfolgten Befragung der vom Kläger zu seiner Entlastung benannten Arbeitskollegen, Herrn E. H. und Herrn I. V., wird auf die vorgelegten Anhörungsniederschriften vom 10. Juli 2018 über die Befragung des Herrn H. (Bl. 94 - 96 d. A.) und des Herrn V. (Bl. 97, 98 d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 (Bl. 18 bis 27 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen Tat- und (hilfsweise) Verdachtskündigung an. Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 (Bl. 109 d. A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung habe; wegen der Begründung des Betriebsrats wird auf seine Stellungnahme vom 18. Juli 2018 verwiesen.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 (Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 06. August 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 15. Januar 2019 - 6 Ca 578/18 - verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 20. Juli 2018 nic...

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