Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsanhörung. Beweisaufnahme. Beweiswürdigung. Gehör, rechtliches. Kündigung, außerordentliche. Schmiergeld. Schweigegeld. Vertagungsantrag. außerordentliche Kündigung eines Betriebsprüfers wegen der Forderung von „Schweigegeld”
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 370 Abs. 1 ZPO muss eine Stellungnahme der Parteien zum Ergebnis einer vor dem Prozessgericht erfolgten Beweisaufnahme grundsätzlich umgehend erfolgen. Denn der Termin, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. Der Rechtsstreit soll nämlich aufgrund des unmittelbar lebendigen Eindrucks der Beweisaufnahme verhandelt und entschieden werden. Die Parteien können deshalb in aller Regel nicht Vertagung verlangen, um zum Ergebnis einer Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen.
2. § 370 Abs. 1 ZPO dient der Verwirklichung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Solange noch Richter und Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme gegenwärtig in Erinnerung haben, soll auch erschöpfend darüber verhandelt werden. Eine Vertagung der Verhandlung nach Beendigung der Beweisaufnahme kann zur ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs ausnahmsweise erforderlich werden, wegen der Kompliziertheit des Beweisthemas und des Beweisergebnisses (z.B. bei Darlegungen von Sachverständigen oder Aussagen sachverständiger Zeugen im Arzthaftungsprozess), wenn der Partei eine Stellungnahme nur nach eingehender Vorbereitung möglich oder etwa eine Rücksprache des Prozessvertreters mit der Partei aufgrund eines unerwarteten Ergebnisses nötig ist. Das Gleiche gilt ferner, wenn eine Beweisaufnahme neue Tatsachen ergibt, zu der eine Partei erst nach Erkundigungen Stellung zu nehmen vermag.
3. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben sich Vorteile versprechen lässt oder entgegennimmt, die dazu bestimmt oder geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen, und damit gegen das sog. Schmiergeldverbot verstößt, handelt den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 102 Abs. 1; ZPO § 370
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 08.07.2010; Aktenzeichen 9 Ca 38/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 8. Juli 2010, Az.: 9 Ca 38/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise mit Auslauffrist zum 31.07.2010 erklärten Kündigung der Beklagten vom 18.12.2009.
Der Kläger (geb. am 03.06.1953, verheiratet) ist seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten im Bereich der Händlerrevision als Betriebsprüfer und Revisor zu einem Vollzeitgehalt von zuletzt ca. EUR 7.400,00 brutto beschäftigt. Ab dem 01.12.2009 wird das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell fortgeführt; die Arbeitsphase soll am 30.09.2012, die Freistellungsphase am 31.07.2015 enden. Die Beklagte, ein Automobilhersteller, beschäftigt mehrere tausend Arbeitnehmer.
Der Kläger führte im Rahmen seiner Tätigkeit ab dem 24.11.2009 eine Prüfung des Autohauses X. in W.-Stadt durch. Die Beklagte stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger vom Verkaufsleiter dieses P.-Händlers, dem Zeugen U., ein „Schweigegeld” von EUR 15.000,00 verlangt habe bzw. auf einen diesbezüglichen Verdacht.
Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 08.07.2010 (dort Seite 2-12 = Bl. 155-160 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentlich fristlose, hilfsweise außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist von sieben Monaten zum Ende des Kalendermonats zum 31.07.2010 erklärte Kündigung beendet wurde,
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens tatsächlich als Revisor zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages für eine verblockte Altersteilzeit zur Erlangung einer Erstattung durch die Bundesanstalt für Arbeit vom 14.11.2006 zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. U. (Verkaufsleiter des Autohauses) und S. R. (Leiter der Konzernrevision der Beklagten). Wegen des Inhalts der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 08.07.2010 (Bl. 145-152 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.07.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.12.2009 habe das Ar...