Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Aufhebungsvertrag. Widerrechtlichkeit. Anfechtung eines Aufhebungsvertrages
Leitsatz (redaktionell)
Die Widerrechtlichkeit einer Drohung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags ist nur dann nicht gegeben, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, wobei unerheblich ist, ob eine solche Kündigung wirksam wäre. Maßgeblich ist, ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags Tatsachen vorbringen konnte, die den Schluss darauf zulassen, dass von diesem eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung hätte gezogen werde dürfen. Erfolgt im Rahmen des Anfechtungsprozesses eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, die auch dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Drohung zumutbar gewesen wäre, so spricht allein die Möglichkeit der weiteren Sachaufklärung – unabhängig von deren Ergebnis – für die Widerrechtlichkeit der Drohung.
Normenkette
BGB § 123
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 10 Ca 75/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 13.05.2009 – 10 Ca 75/09 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den von der Wirksamkeit eines angefochtenen Aufhebungsvertrages abhängigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, um einen schadensersatzrechtlichen Nachzahlungsanspruch, die Auszahlung eines abgerechneten Restnettolohnanspruchs sowie im Wege einer Widerklage verfolgte Ansprüche auf Schadenersatz.
Der Kläger wurde von dem Beklagten, der ein Eiscafé betreibt, zuletzt als Betriebsleiter mit einer monatlichen durchschnittlichen Bruttovergütung von 2.742,16 EUR brutto beschäftigt.
Am 09.10.2008 kam es in einem über dem Eiscafé liegenden Büro unter Teilnahme des Klägers, des Beklagten, des Oberstaatsanwalts Z. und des Zeugen X. zu einem Gespräch, in welchem zuerst Vorwürfe an den Kläger, er habe Pausen unzulässigerweise in der Arbeitszeit gemacht, erhoben wurden und darüber hinaus auch der Vorwurf, der Kläger habe Bargeldbeträge unterschlagen. Über den Inhalt des Gesprächs, insbesondere über die Formulierung der Äußerungen der Zeugen besteht Streit.
Am Schluss dieses Gesprächs schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, der ein Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 09.10.2008 auf Veranlassung der Firma, jedoch im gegenseitigen Einvernehmen vorsah; ferner in § 4 eine Abgeltungs- und Erledigungsklausel, sowie in § 5 einen Verzicht auf eine Bedenkzeit (Bl. 23 und 24 d. A.). Des Weiteren erteilte der Kläger dem Beklagten am gleichen Tag eine Vollmacht zur Einsicht in sein Privatkonto bei der Sparkasse; gleiches tat die Lebensgefährtin des Klägers am 13.10.2008.
Mit Schreiben vom 23.10.2008/30.10.2008 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung an.
Eine Aufforderung des Beklagten zur Wiederaufnahme der Tätigkeit unter dem 21.10.2008 lehnte der Kläger ab.
Mit Schreiben vom 08.12.2008 machte der Beklagte unter Bezugnahme auf die Ermittlungen der Bareinzahlungen auf dem Konto des Klägers und dessen Lebensgefährtin Schadenersatz in Höhe von 9.392,96 EUR geltend und erklärte zugleich die Aufrechnung gegenüber den Lohn- und Gehaltsansprüchen des Klägers in Höhe von 858,96 EUR netto.
Zu den erstinstanzlich weiter geäußerten Auffassungen des Klägers und der Beklagten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 13.05.2009 – 10 Ca 75/09 – Seite 4 bis 8 und auch hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 09.10.2008 hinaus festgestellt, den Beklagten zur Zahlung von 1.051,61 EUR brutto und 858,96 EUR netto nebst Zinsen verurteilt sowie die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochtene Aufhebungsvertrag sei nichtig. Durch den Zeugen Z. sei eine konkludente Drohung mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfolgt. Diese sei durch die Bemerkung des Zeugen X. mit Problemen beim Ausländeramt verstärkt worden. Die Drohung sei auch widerrechtlich gewesen. Der Beklagte habe seinen Vortrag, wonach eine Überprüfung von Geschäftsunterlagen zur Annahme des Fehlens von Bargeld ergeben hätte, zur Beobachtung des Zeugen X. bei der Einzahlung größerer Bargeldbestände durch den Kläger und zur Beobachtung der Lebensgefährtin des Klägers bei der Mitnahme eines in Packpapier eingehüllten Safetybags nicht substantiiert. Insoweit gelte eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Die erhobene Widerklage sei unschlüssig. Der Beklagte habe nicht vorgetragen, wie die geltend gemachten Fehlbestände im Betrieb festgestellt worden seien, welche Buchhaltungsunterlagen, welche Fehlbestände für welchen Tag, die der Kläger verursacht haben soll, tatsächlich aufwiesen. Auch das behauptete Geständnis des Klägers, ...