Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirklicher Geschäftsinhalt als Abgrenzungskriterium zwischen Arbeitsverhältnis und freiem Rechtsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Abgrenzung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem freien Rechtsverhältnis kommt es auf die tatsächliche Durchführung an, also wie die Tätigkeit gelebt wird. Ein Kameramann ist kein programmgestaltender Mitarbeiter, da er nur betriebstechnisch im Einsatz ist.
Bei nicht programmgestaltenden Mitarbeitern kommt es für die Abgrenzung auf die allgemeinen Kriterien wie die örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit oder die Eingliederung in die Arbeitsorganisation an.
Normenkette
BGB § 611 a; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 20.04.2018; Aktenzeichen 1 Ca 857/17) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.04.2018 - 1 Ca 857/17 - wird zurückgewiesen.
II.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.04.2018 - 1 Ca 857/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 17.03.1997 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Kameramann in ihrem Betrieb in C-Stadt mit einem Volumen von 46,82 % einer Vollzeitkraft zu beschäftigen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) trägt die Beklagte.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Kameramann seit dem 17. März 1997 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur beklagten Rundfunkanstalt steht und danach mit einem Volumen von 50,17 % einer Vollzeitkraft zu beschäftigen ist.
Der Kläger ist seit dem 17. März 1997 bei der Beklagten als Kameramann beschäftigt und wird überwiegend in den Studios des Sendezentrums (ca. 70 %) eingesetzt, kommt aber auch bei Außenübertragungen (ca. 30 %) wie z.B. Fernsehgottesdienst-Übertragungen, Wintersportereignissen etc. zum Einsatz. Er ist während der Sendung über einen Kopfhörer mit dem Regisseur verbunden, der den Sendeablauf vorgibt und ggf. Anweisungen zur Bildgestaltung erteilt. Als Kameramann ist der Kläger dergestalt in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert, dass er mit fest angestellten Kameraleuten, Regisseuren und dem sonstigen produktionstechnischen Personal zusammenarbeitet und dabei die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Betriebsmittel nutzt. Der Kläger ist grundsätzlich berechtigt, die ihm angebotenen Dienste abzulehnen, was er allerdings jedenfalls in den letzten Jahren nicht häufig getan hat. Bei der Diensteinteilung werden die persönlichen (Freizeit-)Wünsche der freien und fest angestellten Kameraleute in gleicher Weise berücksichtigt. Der Kläger war bei der Beklagten im Jahr 2012 an 72 Tagen, im Jahr 2013 an 70 Tagen, im Jahr 2014 an 92 Tagen, im Jahr 2015 an 100 Tagen und im Jahr 2016 an 105 Tagen beschäftigt. Im Jahr 2016 erhielt der Kläger 31 Urlaubstage, in den Jahren zuvor 30 Urlaubstage vergütet, und zwar unabhängig von dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang. Bei teilzeitbeschäftigten freien Mitarbeitern hat der Urlaubsanspruch damit den Charakter eines reinen Geldanspruchs.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt geltend gemacht, er stehe als Kameramann seit dem 17. März 1997 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten und müsse als solcher mit einem Volumen von 50,17 % einer Vollzeitkraft beschäftigt werden.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 20. April 2018 - 1 Ca 857/17 - Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
festzustellen, dass er seit dem 17. März 1997 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu der Beklagten steht,
hilfsweise:
festzustellen, dass er seit dem 01. Januar 2005 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu der Beklagten steht,
hilfsweise:
festzustellen, dass er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu der Beklagten steht.
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.
die Beklagte zu verurteilen, ihn als Kameramann in ihrem Betrieb in Mainz mit einem Volumen von 50,17 % einer Vollzeitkraft bzw. 19,32 Wochenstunden zu beschäftigen, hilfsweise in dem vom Gericht festgestellten Volumen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 20. April 2018 verkündeten Urteil - 1 Ca 857/17 - festgestellt, dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht, und die Beklagte verurteilt, den Kläger als Kameramann mit einem Volumen von 46,82 % einer Vollzeitkraft zu beschäftigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die rückwirkende Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und ein höheres Beschäftigungsvolumen von 50,17 % einer Vollzeitkraft begehrt hat. Wegen der Begründung des Arbe...