rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung, verhaltensbedingte. Kündigung wegen „in den Verkauf bringen” von MHD-abgelaufener Fleischwaren
Leitsatz (redaktionell)
Packt ein Arbeitnehmer SB-Fleisch aus und bringt es über die Bedienungstheke in den Verkauf, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen bzw. die in einer ihm erteilten Anweisung vorgegebene Restlaufzeit nicht mehr gegeben war, so begeht er damit eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung, die geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB darzustellen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 14.10.2009; Aktenzeichen 8 Ca 1162/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.10.2009 – 8 Ca 1162/09 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.4.2009 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat 4/7 und die Beklagte 3/7 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Der am 19.09.1958 geborene Kläger, der eine Ausbildung zum Metzgermeister absolviert hat, war seit dem 04.01.1982 bei der Beklagten, zuletzt in deren Filiale in M als Bereichsleiter beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Am 24.04.2009 unterzeichnete der Kläger eine ihm vom Verkaufsförderer vorgelegte betriebliche Anweisung zur Handhabung von Selbstbedienungsfleisch (SB-Fleisch) vom 08.04.2009. Die betreffende Anweisung lautet auszugsweise wie folgt.
„(…)
3. SB-Ware darf nicht ausgepackt und über den Bedienungsbereich vermarktet werden.
Ausschließlich die in der Anlage 1 aufgeführten SB Artikel dürfen, da diese Artikel nicht als Bedienungsartikel gelistet sind bzw., wenn sie für Sonderaktionen (z. B. Grillaktion) benötigt werden, bis auf Widerruf in der Bedienungstheke vermarktet werden, wenn die Restlaufzeit noch mehr als 3 Tage beträgt. Hierbei muss gewährleistet sein, dass dann die ausgepackte Ware innerhalb des aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatums abverkauft wird (bei Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums ist die Ware aus dem Verkauf zu nehmen und entsprechend Punkt 4 zu entsorgen).
4. Ware, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht hat, ist ordnungsgemäß zu erfassen, im Kühlhaus als „nicht mehr für den Verzehr und Verkauf geeignet” zu deklarieren und spätestens am Morgen des nächsten Arbeitstages über die Konfiskattonne zu entsorgen und ebenfalls als „nicht für den Verkauf bzw. Verzehr geeignet” zu kennzeichnen.
(…)
Wir machen Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, dass ein Verstoß gegen eine der oben genannten Anweisungen eine Straftat darstellt, die durch die Behörden strafrechtlich verfolgt werden kann. Darüber hinaus müssen Sie bei Verstoß gegen die Anweisung mit weitreichenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.
Als Abteilungsverantwortliche/r haben Sie für die Umsetzung und Information an alle Mitarbeiter Sorge zu tragen.”
Wegen aller weiteren Einzelheiten der betreffenden Anweisung wird auf Bl. 70 f d.A. Bezug genommen.
Am 25.04.2009 packte der Kläger SB-Fleisch (SB-Schweinefilet, SB-Schweinelende und SB-Steaks) aus und brachte es über die Bedienungstheke in den Verkauf, obwohl z.T. das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) bereits abgelaufen bzw. die in der Anweisung vom 08.04.2009 vorgegebene Restlaufzeit nicht mehr gegeben war. Die weiteren Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 30.04.2009, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 30.11.2009. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 19.05.200 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.
Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.10.2009 (Bl. 158 – 163 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30. April 2009 aufgelöst ist,
im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bereichsleiter weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der mit Urteil vom 14.10.2009 insgesamt stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 – 13 dieses Urteils (= Bl. 163 – 169 ...