Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßige Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichtaufnahme der Tätigkeit eines Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen sind grundsätzlich zulässig. Allerdings ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.

2. Eine Vertragsstrafenabrede in Höhe eines halben Brutto-Monatsgehalts für den Fall der schuldhaften Nichtaufnahme der Tätigkeit ist hinreichend bestimmt und benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen.

3. Der Arbeitnehmer ist nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits vor dessen Beginn berechtigt, weil der Arbeitsvertrag vorsieht, dass er im Falle einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit die Art der Erkrankung anzugeben hat.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 23.07.2014; Aktenzeichen 4 Ca 339/14)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23. Juli 2014, Az. 4 Ca 339/14, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 1.800,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2014 zu zahlen.
  2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Vertragsstrafe.

Die Parteien schlossen am 13.01.2014 einen Arbeitsvertrag. Danach sollte der Beklagte ab 01.02.2014 bei der Klägerin als IT-Systemadministrator zu einem Bruttomonatsgehalt von € 3.600,00 beschäftigt werden. Der von der Klägerin vorformulierte Vertrag lautete - auszugsweise - wie folgt:

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitnehmer wird beginnend ab dem 01.02.2014 eingestellt. Vor seinem Beginn ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.

§ 2 Probezeit

I. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit.

II. Während der Probezeit ist das Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen kündbar.

§ 3 Tätigkeit

Der Arbeitnehmer wird als IT-Systemadministrator beschäftigt. ... Aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen kann dem Arbeitnehmer mit einer Ankündigungsfrist, die der gesetzlichen Änderungskündigungsfrist entspricht, auch eine höher- oder geringwertigere Tätigkeit zugewiesen werden. Bei Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit wird das Entgelt nach einer Einarbeitungszeit von 3 Monaten angepasst. Die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit muss dem Arbeitnehmer zumutbar sein.

...

§ 9 Arbeitsverhinderung

I. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Arbeitgeberin jede Dienstverhinderung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen ...

II. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit von mehr als drei Kalendertagen hat der Arbeitnehmer ... eine ärztliche Bescheinigung ... vorzulegen. ...

III. Der Arbeitnehmer hat die Art der Erkrankung anzugeben, wenn er wegen derselben Krankheit innerhalb der letzten 6 Monate arbeitsunfähig war oder wenn seit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit noch keine 12 Monate vergangen sind; dasselbe gilt, wenn die Arbeitgeberin wegen der Erkrankung des Arbeitnehmers Schutzmaßnahmen zu Gunsten anderer Personen treffen muss.

...

§ 12 Vertragsstrafe

I. Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme oder vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit verpflichtet sich der Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe eines hälftigen Bruttomonatsgehaltes zu zahlen.

..."

Mit E-Mail vom 14.01.2014 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:

"Hallo und Guten Morgen Herr ...

nachdem ich gestern Abend zu Hause war, bin ich den Arbeitsvertrag noch mal durchgegangen und dabei sind mir einige Paragrafen aufgefallen, die mir Unbehagen und eine schlaflose Nacht bereitet haben. Außerdem fühle ich mich im nach hinein etwas "überrumpelt" und hätte den Vertrag erst mal nicht unterschreiben sollen. Nun gut.

Folgendes ist mir zum Vertrag aufgefallen:

...

Aus all diesen Fragen ergibt sich, dass ich den Arbeitsvertrag in der jetzigen Form nicht akzeptieren kann.

Ich darf Sie daher bitten, den Vertrag zu überarbeiten und mir ... geändert ... zur Prüfung zu übersenden. ..."

Der Geschäftsführer der Klägerin lehnte eine Änderung des Arbeitsvertrags ab. Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 14.01.2014, der Klägerin am 16.01.2014 zugegangen, den Arbeitsvertrag fristlos. Zur Begründung führte er aus, einige Klauseln des Arbeitsvertrags seien aus seiner Sicht rechtlich nicht zulässig, insb. § 9 Abs. 3 des Vertrags sei rechtswidrig. Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 20.01.2014 unter Fristsetzung bis zum 03.02.2014 die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe iHv. € 1.800,00.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.07.2014 (dort Seite 2 bis 6) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Bekla...

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